Shardik
bereit wäre, sie anzuhören.
»Ich kann dir natürlich nicht sagen«, bemerkte Elleroth zum Stadtgouverneur, »was der Oberkommandierende beschließen wird. Ob aber die Armee hierbleibt und wie lange, hängt nicht nur von den Bewegungen des Feindes ab, sondern auch vom Stand unserer Versorgung. Wir sind ziemlich weit von Ikat entfernt« – er lächelte –, »und wir werden nicht viel länger hier gern gesehen werden, wenn wir jedes Haus und jeden Hof arm essen. Das ortelganische Heer steht mitten in seinem eigenen Land – oder was sie als solches bezeichnen. Ich könnte mir vorstellen, daß wir beschließen, sie bald aufzuspüren und zu bekämpfen, ehe sich die Waage zu unseren Ungunsten neigt. Ich kann dir versichern, daß General Erketlis all das sehr wohl überlegt. Zugleich gibt es zwei triftige Gründe, warum wir gern etwas länger hierbleiben würden, vorausgesetzt, ihr könnt uns dulden – und ich versichere dir, es würde auf lange Sicht euer Schaden nicht sein. Erstens tun wir, was wir beabsichtigen – was der Feind glaubte, das wir nie tun könnten, und was wir ohne Hilfe aus Deelguy nicht geschafft hätten.« Er verbeugte sich leicht gegen den Baron, einen schweren, dunkelhäutigen Mann, prächtig wie ein Papagei. »Wir glauben, wenn wir den Stausee weiter halten können, wird sich der Feind vielleicht veranlaßt fühlen, uns in einer für ihn ungünstigen Position anzugreifen. Er wartet wahrscheinlich ab, ob wir hierbleiben. Deshalb wollen wir den Eindruck erwecken, als würden wir bleiben.«
»Ihr werdet doch den Stausee nicht zerstören?« fragte der Gouverneur besorgt.
»Nur als letzten Ausweg«, antwortete Elleroth heiter. »Ich bin aber sicher, daß es mit eurer Hilfe nie dazu kommen wird, oder?« Der Gouverneur antwortete mit einem unfrohen Lächeln, und bald darauf sprach Elleroth weiter.
»Der zweite Grund ist, daß wir bei unserem Aufenthalt hier möglichst viele Sklavenhändler zur Strecke bringen wollen. Schon haben wir nicht nur mehrere festgenommen, die Vollmachten von dem sogenannten König von Bekla besitzen, sondern auch einige, die keine haben. Aber wie ihr wißt, ist das Land jenseits des Vrakos bis hinüber nach Zeray und hinauf bis zum Durchbruch bei Linsho wild und unzugänglich. Hier sind wir an seiner Schwelle: Kabin ist der ideale Ausgangspunkt, um es zu durchsuchen. Wenn wir bloß Zeit gewinnen können, werden unsere Spähtrupps das ganze Gebiet zu durchkämmen imstande sein. Und wir haben, ob du es glaubst oder nicht, aus Zeray selbst ein vertrauenswürdiges Hilfsangebot erhalten.«
»Aus Zeray, Herr Graf?« fragte der Gouverneur ungläubig.
»Ja, aus Zeray«, antwortete Elleroth. »Und du hast mir doch gesagt, nicht wahr«, fuhr er lächelnd zu Tan-Rion gewandt fort, der noch in der Nähe wartete, »daß du über zumindest einen unrechtmäßigen Sklavenhändler Informationen hast, der im Augenblick jenseits des Vrakos oder von dort nach Toniida auf dem Weg sein soll.«
»Ja, Herr Graf«, antwortete Tan-Rion. »Genshed, der Kinderhändler – ein sehr grausamer, böser Mann aus Terekenalt. Aber das Land jenseits des Vrakos wird sich nur schwer durchsuchen lassen, und es wäre sehr wohl möglich, daß er uns auch jetzt entschlüpft.«
»Nun, wir werden unser Bestes versuchen. Siehst du – «
»Habt Ihr Nachricht über Eure persönlichen Sorgen, Herr Graf?« unterbrach ihn der Offizier aus Yeldashay impulsiv.
Elleroth biß sich auf die Lippe und sagte erst nach einer kleinen Weile:
»Leider nicht – vorläufig. Du siehst also«, fuhr er schnell, zu dem Gouverneur gewandt, fort, »wir werden jede Hilfe brauchen, die du uns bieten kannst; und ich möchte auch von dir erfahren, wie wir unser Heer am besten verpflegen und versorgen können, wenn wir etwas länger hierbleiben. Würdest du bitte darüber nachdenken, und wir werden uns wieder darüber unterhalten, sobald der Oberkommandierende zurückkommt. Wir wollen in jedem Fall vermeiden, daß dein Volk leidet, und werden, wie gesagt, für deine Hilfe anständig bezahlen.«
Der Gouverneur wollte sich zurückziehen, da sagte Elleroth plötzlich noch: »Übrigens, hast du der Priesterin von der Telthearnainsel – der weisen Frau – freies Geleit gegeben, wie ich dich bat?«
»Ja, Herr Graf«, antwortete der Gouverneur, »gestern mittag. Sie ist nun schon seit zwanzig Stunden fort.«
»Ich danke dir.«
Der Gouverneur verneigte sich und entfernte sich zwischen den Bäumen. Elleroth blieb stehen, er beobachtete
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