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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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schon einmal getan«, antwortete Radu. »Solange es ihr gutgeht, halte ich auch durch.« Er wandte sich an das kleine Mädchen. »Wir gehen bald heim, nicht wahr?« sagte er. »Dann zeigst du mir das neue Kalb, ja, wenn wir zu Hause sind?«
    »Den ganzen Weg, unterirdisch«, sagte ein danebenstehender Junge, aber Shara nickte nur und begann wieder, mit ihren Steinen Muster zu legen.
    Bald machten sie sich auf den Weg und folgten Genshed zum Flußufer. Dort angelangt, wandte sich der Sklavenhändler stromaufwärts an dem offenen, steinigen Ufer entlang.
    Da sie nun nicht mehr zwischen den eng beieinanderstehenden Bäumen gingen, konnte Kelderek die ganze Kolonne überblicken und verstehen, was er am Vortag nicht verstanden hatte, warum ihr Marsch so oft unterbrochen wurde und so langsam war. Was er vor sich hatte, war ein Haufen Erschöpfter, der gewiß der völligen Auflösung nahe war. Jeden Augenblick blieb das eine oder andere Kind stehen, lehnte sich vornüber an einen Felsen oder an eine Böschung, und wenn Bled oder Schreihals herankamen, um ihm zu drohen, starrte es zurück, zu benommen, sich auch nur zu fürchten. Dann und wann fiel ein Knabe hin, und Genshed, Schreihals oder Bled zog ihn auf die Beine und schlug ihn oder spritzte ihm Wasser ins Gesicht. Der Sklavenhändler selbst schien sich der jämmerlichen Verfassung seines Warenbestandes bewußt. Er sparte mit Schlägen und machte häufig halt, um die Kinder trinken und ihre Füße baden zu lassen. Als Bled einmal in einem Wutanfall auf einen Knaben losging, der am Fuß einer Felsenmasse herumtappte und zauderte, jagte ihn Genshed mit Schlägen und fluchend fort mit der Frage, wo er einen toten Sklaven denn verkaufen könne.
    Als er später neben Radu lag und auf den in der Mittagssonne schimmernden Fluß hinausblickte, sagte Kelderek mit vorsichtig gesenkter Stimme: »Schreihals muß doch wissen, daß er aus Genshed alles, was möglich war, herausgeholt hat. Und er fürchtet sich bestimmt vor der Rückkehr nach Terekenalt, oder? Für ihn wäre es am besten, abzuhauen und uns mitzunehmen. Ich weiß, wie man in einem solchen Land überlebt. Ich könnte sein und unser Leben retten, wenn er mir nur vertrauen wollte. Glaubst du, Genshed hat ihm etwas versprochen?«
    Radu antwortete eine Weile nicht, blickte seitwärts ins seichte Wasser und streichelte Sharas Hände. Endlich sagte er: »Ihm bedeutet Genshed mehr, als du glaubst. Er hat ihn bekehrt, verstehst du?«
    »Bekehrt?«
    »Deshalb fürchte ich mich vor Genshed. Ich weiß, wir alle fürchten seine Grausamkeit, ich aber fürchte mehr als das.«
    »Du darfst dich nicht durch Genshed entmutigen lassen«, sagte Kelderek. »Er ist nichts als ein verächtlicher Rohling – ein Gelegenheitsdieb, bösartig und beschränkt.«
    »Das war er früher«, sagte Radu, »bevor er die Macht erhielt, um die er betete.«
    »Wie meinst du das, welche Macht?«
    »Bei ihm geht es nicht mehr darum, ob er ein Dieb oder ein ehrlicher Mensch ist«, sagte Radu. »Darüber ist er hinaus. Früher einmal war er nichts als ein grausamer, bösartiger Langfinger in den Slums. Aber das Böse hat ihn stark gemacht. Er hat den Preis bezahlt, und dafür erhielt er die Macht des Bösen. Noch spürst du es nicht, aber das kommt noch. Er hat die Fähigkeit erworben, andere böse zu machen – sie dazu zu bringen, an die Stärke des Bösen zu glauben, sie anzustiften, so böse zu werden wie er selbst. Was er bietet, ist die Freude am Bösen, nicht bloß Geld oder Sicherheit oder irgend etwas, das du oder ich begreifen könnten. Er kann manche Menschen dazu bringen, daß sie ihr Leben dem Bösen weihen wollen. Das machte er mit Bled, nur war Bled dem nicht gewachsen, und es machte ihn wahnsinnig. Schreihals – der war nur ein armer, verlassener Junge, der von seinen Eltern verkauft wurde. Es geht nicht darum, wie lange er es bei Genshed aushält oder was ihm bevorsteht. Er bewundert ihn, er will ihm alles geben, was er hat – er denkt nicht an Belohnung. Er will sein ganzes Leben lang schlagen, Schmerz bereiten, ängstigen. Er weiß, daß er dazu noch nicht recht taugt, aber er hofft, Fortschritte zu machen.«
    Der Hunger hing wie ein Nebel zwischen ihnen in der Luft. Kelderek blickte sich nach Shara um und sah sie in der Nähe an einem Teich, wie sie lange Streifen von hellgelben und dunkelroten Wasserpflanzen herauszog, die sie nebeneinander auf die Steine legte.
    »All das ist nur deine Phantasie«, sagte er. »Du bist schwindlig vor

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