Sharpes Festung
Bewegungen vor, wo gar keine waren. Er stellte sein Feuer ein, nahm an, er würde das Öffnen des Tors in der Mauer oder feindliche Schritte hören. Er hörte die Verteidiger auf der Mauer schreien, entweder riefen sie dem in der Dunkelheit verborgenen Feind Beleidigungen zu oder ermunterten einander.
Hakeswill, rechts am Ende der Linie, duckte sich zwischen die Felsen. Er hatte mit Kendrick und Lowry Deckung gesucht, doch die feindliche Kanonade hatte ihn weiter nach rechts in eine tiefe Spalte getrieben. Er wusste, dass er dort sicher war. Dennoch zuckte er bei jedem Raketenabschuss zusammen, und wenn Granaten explodierten und Kanonenkugeln gegen Felsen krachten, kauerte er sich zusammen und zog die Knie bis an die Brust. Er wusste, dass ein ranghoher Offizier zur Postenlinie gekommen war, denn die Meldung von seiner Anwesenheit war an der Linie weitergegeben worden. Kennys Besuch war für Hakeswill das Blödeste, was ein Mann mit goldenen Tressen nur tun konnte. Wenn der Colonel laut seinen Namen zischte, verhielt er sich still. Er nahm jedenfalls an, dass es der Offizier auf Besuch war, der drängend und autoritär nach ihm rief. Hakeswill ignorierte die Rufe. Er wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, falls einer der heidnischen Kanoniere eine Kanone auf ihn ausrichtete. Einen Moment später entfernten sich die Schritte des Mannes.
»Wer sind Sie?«, fragte eine leise Stimme Private Kendrick nur ein paar Schritte von Hakeswills Versteck entfernt.
»Kendrick, Sir.«
»Zu mir, Private. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Kendrick robbte zurück in Richtung der Stimme. Blöder Bastard, dachte er, aber er musste gehorchen. »Wo sind Sie, Sir?«, fragte er.
»Hier, Mann! Beeilung jetzt, Beeilung!«
Kendrick rutschte auf einem glatten Stein ab und setzte sich unfreiwillig hin. Eine Rakete zischte über ihn hinweg und sprühte Feuer und Funken, und in dem kurzen Lichtschein sah er einen Schatten vor sich aufragen und spürte eine Klinge an seiner Kehle. »Ein Laut, und du bist tot«, zischte die Stimme.
Kendrick erstarrte. Er verhielt sich still, verursachte überhaupt keinen Laut, aber er starb trotzdem.
Eine Kanonenkugel traf ein Paar Ochsen, riss ihnen den Bauch auf, und die Tiere brachen auf der Straße zusammen. »Schafft sie aus dem Weg!«, röhrte eine Stimme, und Sepoys mühten sich mit den schwer verletzten Tieren ab, zerschnitten ihr Zaumzeug und zogen sie zwischen die Felsen. Andere Männer brachten den leeren Karren ins Lager und machten Platz für den nächsten Karren mit einer Ladung Schanzkörbe.
»Tötet sie!«, befahl der Offizier. »Mit dem Bajonett. Kein Musketenfeuer!« Die Sepoys erlösten die Tiere von ihren Qualen, stachen wieder und wieder in ihre dicken Nacken, während die blutigen Beine wild ausschlugen. Eine Granate schlug in der Nähe ein. Die Straße war glitschig von den Eingeweiden der Ochsen, über die der nächste Karren rollte, dessen Achsen quietschten.
»Alles gut, Soldat?«, fragte eine Stimme Private Lowry.
»Jawohl, Sir.«
»Ich bin Colonel Kenny«, sagte der Mann und kauerte sich neben Lowry.
»Jawohl, Sir«, erwiderte Lowry nervös.
»Sehen Sie was?«
»Nichts, Sir«, sagte Lowry, und dann stockte ihm der Atem, als er eine Klinge an seiner Kehle spürte.
»Wo ist Hakeswill?«, zischte die Stimme in sein Ohr, und plötzlich wusste Lowry, dass es nicht Colonel Kenny war, der ihn in festem Griff hielt.
»W-weiß n-nicht, Sir«, brachte Lowry hervor, und dann schrie er auf, doch der Schrei erstarb, als die Klinge seine Kehle durchschnitt.
Eine Kanonenkugel, tief gefeuert, schlug gegen den großen Felsblock, der Hakeswill Deckung bot, und dem Sergeant entfuhr ein wimmernder Laut, als er versuchte, sich noch tiefer in den Spalt zu winden. Eine Rakete landete etwa dreißig Schritte hinter ihm und begann sich wild und Funken sprühend zu drehen, bis sie schließlich an einem Fels hängen blieb und mit kleinen bläulichen Flammen ausbrannte. Eine Kanonenkugel schlug in die Schanzkörbe, doch jetzt waren sie gut gestapelt, und das fest gepackte Erdreich dämpfte den Aufprall.
Von der Batterie her ertönte ein Pfiff, und nach Sekunden zwei weitere Pfiffe. Morris, erleichtert nach den Pfiffen, rief nach den Männern zu seiner Rechten. »Zurück zur Straße! Weitergeben! Zurück zur Straße!« Gott sei Dank war die schlimmste Qual vorbei! Jetzt sollte er sich zur Batterie zurückziehen, bereit, sie in den verbleibenden Stunden der Nacht zu schützen, aber Morris wusste, dass
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