Sharpes Gold (German Edition)
Die Nachricht war schlecht, das sah Sharpe ihm an, aber wohl nicht unerwartet. Er erinnerte sich, dass Wellington einst gesagt hatte, die Durchführung eines Feldzugs sei so ähnlich, als wolle man ein Pferdegespann mithilfe eines Seilgeschirrs lenken. Die Seile würden immer wieder reißen, und ein General könne nichts anderes tun, als die Enden zu verknoten und weiterzumachen. So ein Seil drohte hier und jetzt zu zerfasern, noch dazu ein wichtiges, und Sharpe beobachtete, wie Wellington mit den Fingern auf der Tischkante trommelte. Seine Augen richteten sich auf Sharpe, huschten dann zu Lawford hinüber.
»Lieutenant Colonel?«
»Sir?«
»Ich leihe mir Captain Sharpe von Ihnen aus, samt seiner Kompanie. Wahrscheinlich werde ich sie nicht länger als einen Monat brauchen.«
»Jawohl, Mylord.« Lawford sah Sharpe an und zuckte mit den Schultern.
Wellington erhob sich. Er wirkte erleichtert, als sei soeben eine Entscheidung gefallen. »Der Krieg ist nicht verloren, meine Herren, obwohl ich weiß, dass mein Optimismus nicht überall geteilt wird.« Er war eindeutig verbittert, wütend auf die Defätisten, deren Briefe in die Heimat von den Zeitungen abgedruckt wurden. »Möglich, dass wir die Franzosen im Kampf stellen können, und wenn wir es tun, werden wir siegen.« Sharpe hatte das nie bezweifelt. Von allen britischen Generälen war dies der Einzige, der wusste, wie die Franzosen zu schlagen waren. »Aber unser Sieg wird ihr Vordringen nur verzögern.« Wellington entrollte eine Karte, starrte unverwandt darauf und ließ sie wieder los, sodass sie sich von allein zusammenrollte. »Nein, meine Herren, unser Überleben hängt von etwas anderem ab. Von einer Sache, die Sie, Captain Sharpe, mir bringen müssen. Müssen, haben Sie gehört? Müssen.«
Sharpe hatte den General noch nie so eindringlich sprechen hören. »Jawohl, Sir.«
Lawford räusperte sich. »Und wenn er versagt, Mylord?«
Noch einmal das frostige Lächeln. »Davon würde ich ihm abraten.« Er wandte sich Sharpe zu. »Sie sind nicht meine einzige Trumpfkarte, Mister Sharpe, aber Sie sind – wichtig. Es gehen nämlich Dinge vor, meine Herren, von denen dieses Heer nichts weiß. Wenn es davon wüsste, wäre es generell optimistischer gestimmt.« Er setzte sich und verzichtete darauf, sie aufzuklären. Sharpe nahm an, dass er sie absichtlich im Unklaren ließ. Er wollte seinerseits mit einem Gerücht gegen die Defätisten angehen, und auch das gehörte zu den Aufgaben eines Generals. Dann hob Wellington den Blick. »Sie unterstehen nun meinem Befehl, Captain Sharpe. Ihre Männer müssen heute Nacht zum Abmarsch bereitstehen. Sie dürfen nicht durch Frauen oder unnötiges Gepäck behindert werden, und sie müssen volle Munitionszuteilung erhalten.«
»Jawohl, Sir.«
»Und Sie kommen in einer Stunde wieder hierher. Sie haben zwei Aufgaben zu erfüllen.«
Sharpe fragte sich, ob ihm sofort mitgeteilt werden sollte, worum es sich handelte. »Sir?«
»Erstens, Mister Sharpe, werden Sie dann Ihre Befehle erhalten. Nicht von mir, sondern von einem Ihrer alten Kampfgefährten.« Wellington sah Sharpes fragenden Blick. »Major Hogan.«
Sharpes Gesicht verriet seine Freude. Hogan, der Pionier, der schweigsame Ire, war ein Freund, auf dessen Vernunft sich Sharpe während der schwierigen Tage vor Talavera verlassen hatte. Wellington sah die Freude und versuchte sie zu dämpfen. »Vorher jedoch, Mister Sharpe, werden Sie sich bei Lieutenant Ayres entschuldigen.« Er wartete auf Sharpes Reaktion.
»Aber natürlich, Sir. Das hatte ich ohnehin vor.« Sharpe blickte schockiert drein bei dem Gedanken, er könne je ein anderes Vorgehen geplant haben, und seine unschuldig aufgerissenen Augen glaubten einen Anflug von Amüsement hinter dem kalten blauen Blick des Generals entdeckt zu haben.
Wellington wandte sich an Lawford und schlug mit der bei ihm üblichen entwaffnenden Geschwindigkeit einen liebenswürdigen Ton an. »Ihnen geht es gut, Lieutenant Colonel?«
»Danke, Sir. Jawohl.« Lawford strahlte vor Freude. Er hatte in Wellingtons Stab gedient und kannte den General gut.
»Essen Sie doch heute mit mir zu Abend. Um die übliche Zeit.« Der General sah Forrest an. »Und Sie, Major?«
»Mit Vergnügen, Sir.«
»Gut.« Sein Blick kehrte zu Sharpe zurück. »Captain Sharpe wird zu beschäftigt sein, fürchte ich.« Er entließ sie mit einem Nicken. »Guten Tag, meine Herren.«
Vor dem Hauptquartier bliesen die Hörner zum Abend, und die Sonne ging in
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