Sharpes Trafalgar
Schultern, stieg zum Achterdeck hinauf und ging dann zum Heck, wo er an der Heckreling aufs Kielwasser starrte.
Schließlich hörte er Schritte hinter sich und wusste, wer da kam, bevor sie an die Reling trat und wie er auf die See schaute. »Du hast mir gefehlt«, sagte sie leise.
»Und du mir«, sagte Sharpe. Er starrte aufs Kielwasser und dachte daran, wie die Leiche Braithwaites in unendliche Tiefen versunken war.
»Er ist gestürzt?«, fragte Lady Grace.
»So hat es den Anschein«, sagte Sharpe. »Aber es muss ein sehr schneller Tod gewesen sein, was ein Segen ist.«
»Das ist es in der Tat«, sagte sie. Dann wandte sie sich Sharpe zu. »Ich finde die Sonne unangenehm heiß.«
»Vielleicht solltest du nach unten gehen. In meiner Kabine ist es kühler.«
Sie nickte, sah ihm einen Moment in die Augen, wandte sich dann abrupt um und ging.
Sharpe wartete fünf Minuten und folgte ihr dann.
Hätte man die Pucelle an diesem Nachmittag aus der Sicht der fliegenden Fische gesehen, wäre es ein schöner Anblick gewesen. Kriegsschiffe sind selten elegant. Ihre Rümpfe sind massiv, lassen ihre Masten unproportional kurz wirken, aber Captain Chase hatte jedes Segel in den Wind hängen lassen, und diese Royalsegel, Stagsegel und Leesegel bildeten genug Masse, um ein harmonisches Gegengewicht zu dem großen gelbschwarzen Rumpf zu bilden. Die Vergoldung am Heck und die silberne Farbe auf ihrer Galionsfigur spiegelten die Sonne wider, das Gelb an ihren Flanken war leuchtend, ihr Deck blank und sauber, während sich das Wasser an ihrem Bug brach und in ihrem Kielwasser schäumte.
Die Fäulnis und Feuchtigkeit, der Rost und Gestank waren von draußen nicht wahrzunehmen, aber auch im Schiff wurde der Gestank nicht mehr bemerkt. Auf dem Vordeck des Schiffs wurden die letzten verbliebenen drei Ziegen für das Abendessen des Kapitäns gemolken. Im Kielraum schwappte das Wasser. Ratten wurden geboren, kämpften und starben in der tiefen Finsternis des Laderaums. Im Magazin nähte ein Kanonier Pulverbeutel für die Geschütze, ohne eine Hure zu beachten, die ihr Gewerbe zwischen den ledernen Schutzschirmen abwickelte, die die Tür des Magazins vor Funken schützten. In der Kombüse erschauerte der Koch, einäugig und syphilitisch, bei dem Geruch von schlecht gepökeltem Fleisch, warf es jedoch trotzdem in den Kessel, während Captain Llewellyn in seiner Kabine davon träumte, dass er seine Seesoldaten in einen gloriosen Angriff führte, bei dem die Revenant geentert wurde. Vier Glockenschläge der Nachmittags-Wache erklangen. Auf dem Achterdeck warf ein Seemann das Log aus und ließ die Leine schnell von seiner Rolle abspulen. Er zählte die Knoten in der Leine laut, als sie über der Reling verschwand, während ein Offizier auf eine Taschenuhr spähte.
Captain Chase ging in seine Tageskabine und klopfte an sein Barometer. Immer noch steigend. Die Wachleute, die Freiwache hatten, schliefen in ihren Hängematten. Der Zimmermann besserte eine Geschützlafette aus, während sich in Chases Schlafkabine Sharpe und Ihre Ladyschaft in den Armen lagen.
»Hast du ihn umgebracht?«, fragte Lady Grace im Flüsterton.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich es getan hätte?«
Sie streichelte über die Narbe auf seinem Gesicht. »Ich habe ihn gehasst«, wisperte sie. »Von dem Tag an, an dem er für William arbeitet, hat er mich ständig beobachtet und mit den Blicken ausgezogen, dieser Spanner.« Sie erschauerte plötzlich. »Er hat mir gesagt, wenn ich in seine Kabine komme, würde er schweigen. Ich wollte ihn schlagen. Fast hätte ich es auch getan, aber dann sagte ich mir, dann rächt er sich, indem er William alles erzählt, und so ging ich einfach davon. Ich habe ihn gehasst.«
»Und ich habe ihn getötet«, sagte Sharpe leise.
Sie schwieg eine Weile, dann küsste sie ihn auf die Nase. »Ich wusste es. In dem Moment, als William mich fragte, ob ich wüsste, wo er war, ahnte ich, dass du ihn getötet hast. Ist er wirklich schnell gestorben?«
»Nicht sehr schnell«, gab Sharpe zu. »Ich wollte ihn wissen lassen, warum er stirbt.«
Sie dachte eine Weile darüber nach, dann sagte sie sich, dass es nichts änderte, ob Braithwaite schnell oder langsam gestorben war. »Niemand hat bisher für mich getötet«, sagte sie.
»Für dich würde ich mich durch eine verdammte Armee kämpfen«, sagte Sharpe. Dann erinnerte er sich wieder an Braithwaites Behauptung, dass er einen Brief für Lord William hinterlassen hatte, und von
Weitere Kostenlose Bücher