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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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frisch gebackener Scones unter ihre Decke. Ich habe Glück, dass ich hier bei Wills Familie bin. Dass ich Will habe, der sich um mich sorgt. Dass Tim ein Teil meines Lebens war. Trotz allem anderen kann ich mich glücklich schätzen. Nicht jeder hat das. Sie musste an Kirk denken und an seine Schwester, die ihn nicht verstand, und seine Mutter, die überhaupt nie an ihn dachte.
    Draußen prasselte weiter der Regen. Sie schwang ihre Beine unter der Decke hervor, stellte ihre nackten Füße auf die breiten lackierten Dielen und stand auf. Ein tiefer Atemzug, dann wischte sie sich die Tränen aus den Augen. Sie schloss das Fenster, woraufhin der Regen verstummte, zog ihren Fleecepulli unter dem Kissen hervor und schlüpfte in ein Paar neuer, weicher Socken. Dann tappte sie in die Küche, um Mrs Archer zu helfen.
     
    Später am Nachmittag lag Zoe auf dem Rücken und sah durch einen Filter aus Blättern hinauf zum Himmel. Licht flutete durch das unregelmäßige Flickwerk aus gezackten Ovalen, wobei es das Gelb und Orange mit sanftem Schein zum Leuchten brachte. Ein Blatt wurde von einer leichten Brise erfasst und segelte in einem ungleichmäßigen Zickzack herab, bis es schließlich auf Zoes Hals landete. In der Luft lag ein beißender Geruch, eine Mischung aus Moder und dem Qualm aus dem Kamin in Wills Haus. Über ihr prangten Streifen weißer Wolken am blauen Himmel, als hätten sie nicht die Absicht weiterzuziehen.
    Sie streckte sich aus und drückte die Sohlen ihrer Füße gegen den Baumstamm. Ihr Haar lag ausgebreitet auf einem Bett aus Moos, Gras und Herbstlaub und ein kleiner Zweig bohrte sich in ihre Schulter, aber das war Zoe egal. Sie hatte unzählige Male unter diesem Baum gelegen und durch die breiten Äste hinaufgesehen, die um sie herum zu Boden flossen und einen natürlichen Vorhang formten, der sie und ein ausgeblichenes rotes Kanu vor den Blicken anderer verbarg. »Der Feenort«, hatte sie diese Stelle genannt, als sie fünf Jahre alt gewesen war und Will sie ihr zum ersten Mal gezeigt hatte. Tim war alt genug gewesen, um diesen Namen rundheraus abzulehnen, daher waren Zoe und Will sorgfältig darauf bedacht gewesen, in seiner Gegenwart immer nur von »dem Baum« zu sprechen. Aber tief in ihrem Innersten hatte Zoe immer gedacht, dass dieser Ort magisch war.
    Die Blätter raschelten leise und der Vorhang öffnete sich. »Ich wusste, dass ich dich hier finden würde«, sagte Will. Er zögerte, als wartete er darauf, dass sie ihn hereinbat.
    Zoe tat nichts dergleichen. Sie sah nur weiter hinauf in die weite Ferne des Himmels.
    Schließlich gab Will das Warten auf und kam herein, um ihr Gesellschaft zu leisten. Das gelbe Blätterdach war riesig – es bot mehr als ausreichend Platz für das Boot und drei oder vier Leute, die dort sitzen oder stehen konnten. Will setzte sich mit angewinkeltem Bein neben Zoe. Er hob ein Blatt auf und zwirbelte den gelben Stängel zwischen seinen Fingern. Dann sah er hoch zum Himmel. Zoe fragte sich, was er dort wohl sah.
    Lange Zeit verharrten sie so nebeneinander und schauten zu den Blättern und der blauen Weite dahinter hinauf. In der Ferne konnte Zoe das schrille Dröhnen eines Laubbläsers hören. Ein Vogel trällerte einmal, zweimal und verstummte. Ein Lastwagen brummte und rumpelte auf der Straße vorbei.
    Die Menschen dachten an Kürbisse und Äpfel, Halloween und heißen Most. Das normale Leben.
    Zoe hatte den Herbst in New York City immer geliebt, aber hier war er sogar noch schöner. In Manhattan war sie oft im Central Park spazieren gegangen, um sich den beständigen Wandel in Erinnerung zu rufen, der um sie herum vorging, den Übergang von Hitze zu Kälte, der sich in den welkenden Blättern widerspiegelte. Aber sie war von diesem Wandel nicht in dem Maße umgeben gewesen wie hier draußen. Hier in Shelter Bay zu sein half ihr in gewisser Weise, um sich wie ein Teil des Ganzen zu fühlen, als geschehe die Veränderung nicht nur um sie herum, sondern ebenso in ihrem Inneren.
    Und sie war dabei, sich zu verändern. Oder vielleicht nicht direkt verändern. Vielmehr war sie dabei zu erkennen, dass sie nicht das war, was sie gedacht hatte. Die Welt um sie herum fiel in den Schlaf und sie erwachte.
    »Wie kann das hier überhaupt noch gut ausgehen?«, fragte Zoe. Will antwortete nicht und sie rollte sich auf die Seite, um ihn anzusehen. Sie stützte ihren Kopf in ihre Hand. »Ich meine, vergiss die ganze Circe-Sache. Vergiss das mal für einen Moment. Selbst ohne das

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