Sheriff Tod
hatte er das Holzbrett über die Luke geschoben. Es unterschied sich von der Farbe her in nichts von dem übrigen Boden. Es war ebenso staubig und von einem klebrigen Schmier bedeckt. Wer diesen Eingang finden wollte, mußte schon sehr gute Augen haben.
Der Zugang befand sich dort, wo einmal der Altar in dieser alten Holzkirche gestanden hatte. Sheriff Tod hatte ihn nicht mehr gewollt und in einem rasenden Wutanfall zerstört. Nichts in diesem Raum sollte ihn mehr an die frühere Kirche erinnern, denn das war jetzt seine Welt, seine eigene, die er sich aufgebaut hatte. In dieser Kirche schwebte sein Geist, und der hielt den Raum bis in den letzten Winkel erfüllt.
Rechts neben dem Ausgang stieg die Holztreppe in die Höhe. Sie führte zum schmaleren Oberbau der Kirche hoch und weiter hinein in den Turm. Sie endete erst dicht unter der Spitze, wo früher einmal eine Glocke gehangen hatte. Auch die gab es nicht mehr. Sie war von anderen Menschen entfernt worden, ebenso wie die Bänke.
Wahrscheinlich hatte man sie kleingehackt und verfeuert.
Da kam einiges zusammen, was andere Menschen für Sheriff Tod schon als Vorarbeit geleistet hatten. Er hatte dann nur die Kirche in seinen Besitz zu nehmen brauchen, und er war bereit, auch seine Gemeinde aufzubauen. Die Menschen sollten dann nach seinen Gesetzen leben.
Wer dabei nicht mitspielte, würde sterben, so einfach war das.
Er genoß es, durch die Kirche und auf deren Tür zuzugehen. Er kam sich groß und gewaltig vor. Obwohl seine Brillengläser dunkel waren, konnte er scharf und deutlich sehen, als würde er seine Umgebung durch eine Lupe betrachten.
An der Tür blieb er stehen und hob die Hand. Ein schwarzer Handschuh war über die Finger an beiden Händen gestreift. Er legte die Rechte auf die Klinke und drückte sie nach unten.
Das Quietschen störte ihn nicht. Mit einem leichten Ruck zog er die Tür auf.
Die Welt draußen wartete auf ihn, aber er betrat sie noch nicht. Er ging so weit, daß er die Kirchentür zufallen lassen konnte, dann schaute er nach vorn über das Land hinweg.
Es schwamm in der Dämmerung. Sie war von blauer und grauer Farbe, tief im Westen zeigte die Sonne noch einen rötlichen Streifen, bevor sie sich dann endgültig verabschiedete.
Das Land wies keine festen Konturen mehr auf. Alles hatte sich aufgelöst, alles schwamm ineinander. Es gab weder Bäume noch Sträucher, die genau zu erkennen waren, und der mächtige, düstere Himmel schien sich ebenfalls auf das Land herabgesenkt zu haben, denn wo er endete und der normale Erdboden begann, da war die Grenze fließend.
Die Hitze des Tages hatte einer beklemmenden Schwüle Platz geschaffen. Die Luft drückte. Viele Menschen würden Schwierigkeiten mit ihrer Atmung bekommen. Auch war die Luft mit einer gewissen Feuchtigkeit angereichert, und aus den Wänden oder den Flecken, wo sich die kleinen Seen und Teiche verteilten, stiegen Dunstschwaden in die Höhe wie kaum abgedeckte Rauchfeuer.
Es würde ein Gewitter geben. Sehr bald schon würde es zu den mächtigen Entladungen kommen. Dann wurde der Himmel zu einem Untier, das Blitze ausspie, die von mächtigen Donnerschlägen begleitet waren. Und es würde Regen geben, der in wahren Sturzfluten aus den Wolken fiel und das knochentrockene Land überschwemmte.
Bis es soweit war, verging Zeit. Die wollte Sheriff Tod nutzen. Bis dahin mußte sein Gegner sterben. Er überlegte. Ein Gegner?
Nein, da war noch jemand bei dem Mann gewesen. Eine junge Frau, über die er bisher noch nicht nachgedacht hatte. Jetzt kam sie ihm in den Sinn. Normalerweise wäre er über sie hergefallen, hätte sie getötet, aber er verspürte seltsamerweise keinen Haß gegen sie. Er versuchte, sich auf sie zu konzentrieren und schüttelte den Kopf, um sich durch die Bewegung zu bestätigen.
Nein, das war kein Haß!
Sheriff Tod war durcheinander. Diese Art von Neutralität kannte er nicht.
Er wußte auch nicht, wie er sie einordnen sollte. Er hatte plötzlich den Wunsch, mit dieser Person reden zu wollen, sich mit ihr zu unterhalten.
Ein derartiges Bedürfnis war neu für ihn und sorgte in seinem Innern für eine gewisse Unsicherheit.
Er fragte sich, was mit ihm geschehen war. Lag es tatsächlich nur an dieser Frau. Er glaubte sogar, sie zu kennen, aber das konnte nicht sein.
Irgend etwas war so gelaufen, wie es ihm nicht in den Plan paßte. Aber es durfte ihn von seinen eigentlichen Plänen nicht abbringen. Er gab sich einen innerlichen Ruck, der auch äußerlich
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