Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
letzte Sommer erschien im Januar 2005 im Lacrima-Verlag, es folgten im September 2008 Superior im Brendle-Verlag und im Oktober 2010 Der Fall Nemesis bei Voodoo Press.
DER VERFLUCHTE MANN
Sören Prescher
Wenn ich mein Notizbuch durchblättere, gibt es neben all den glorreichen Beweisen meisterlicher Detektivarbeit auch einige Fälle, in denen Holmes mit seiner üblichen Vorgehensweise nicht weiterkam.
Eines der düstersten Zeugnisse stellte der Fall dar, den wir in der kleinen Stadt Thorleywood im Norden Englands aufzuklären versuchten.
Angefangen hatte es mit einem Telegramm, das zur späten Stunde in der Baker Street eintraf, in dem ein Mann namens Samuel Blakely behauptete, verflucht worden zu sein. Nur seinetwegen waren angeblich vier Menschen ums Leben gekommen. Zum Schluss stand die dringende Bitte: Helfen Sie, Mr Holmes, bevor weitere Menschen sterben.
Zwei Stunden nachdem uns das Telegramm erreichte, saßen wir im Nachtzug Richtung Durham und waren gespannt, wohin uns der neuste Fall führen würde. Weder Holmes noch ich glaubten an Flüche und schon gar nicht daran, dass Leute einfach so zu Schaden kamen. Gern hätte ich meinen Freund um seine Meinung gebeten, doch der Gute starrte geistesabwesend aus dem Fenster und reagierte auf keine meiner Anfragen. Dies änderte sich erst, als wir den Bahnhof von Thorleywood – einige Meilen südlich von Durham – erreichten.
Wir nannten dem Droschkenfahrer die Adresse, die uns Blakely im Telegramm hinterlassen hatte und erreichten zehn Minuten später zwei lange Zeilen von Reihenhäusern mit schweren Holztüren und windschiefen Dächern. Während er ihn bezahlte, befragte Holmes den Kutscher nach Blakely. Der Mann schüttelte den Kopf und setzte seine Droschke in Bewegung. Ich glaubte, eine gewisse Unruhe in seinem Blick zu erkennen, bekam jedoch keine Gelegenheit, den Gedanken zu überprüfen.
Unsere Pechsträhne setzte sich gleich darauf an der Haustür fort.
Wie das Türschild bewies, befanden wir uns zwar an der richtigen Adresse, der Telegrammverfasser reagierte jedoch nicht auf unser Klopfen. Holmes wagte einen Blick durchs Seitenfenster und wendete sich betrübt ab. „Nichts zu machen, Watson. Der Hausherr ist offenbar ausgeflogen.“
In diesem Moment kratzte und schleifte es über uns. Ich hob den Kopf, um herauszufinden, woher die Geräusche kamen. In derselben Sekunde riss mich Holmes zur Seite. Dachziegel fielen krachend an der Stelle zu Boden, an der wir gerade gestanden hatten. Mein Rücken schmerzte von der unschönen Landung. Das Gefühl wurde jedoch von der grenzenlosen Erleichterung überdeckt, ansonsten unbeschadet zu sein.
Mein Freund war sofort wieder auf den Beinen und begutachtete das Dach von der Straße aus. Benommen ging ich zu ihm und folgte seinem Blick. „Um Haaresbreite“, murmelte ich.
„Es kann ein Zufall gewesen sein“, überlegte Holmes.
„Zumindest von hier aus ist nichts Ungewöhnliches zu erkennen.
Dass sich jemand extra im Dachgeschoss versteckt hat, um uns zu überraschen, halte ich für unwahrscheinlich. Zumal von dort aus unsere Position nicht genau zu erkennen war.“
„Merkwürdig ist es trotzdem“, sagte ich und dachte an den Fluch.
War die Behauptung vielleicht doch nicht so weit an den Haaren herbeigezogen gewesen?
Holmes stapfte zum nächsten Hauseingang. Da hier die Nachbarn Tür an Tür lebten, wussten sie bestimmt einiges über den Gesuchten zu berichten. Selbst wenn es bloß Charaktereigenschaften waren, halfen sie, die Situation besser einzuordnen.
An der ersten Tür erwartete uns eine junge Hausfrau mit hochgesteckten Haaren und scheuem Rehblick. „Samuel kenne ich. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Eigentlich ein netter Bursche. Vielleicht ein wenig zu sehr mit dem Kopf in den Wolken. Aber in den letzten Wochen wurde er zunehmend launischer.“
„Er erwähnte uns gegenüber merkwürdige Todesfälle.“ Sofort bekreuzigte sie sich. Außerdem schaute sie nervös zur Straße hinaus. „Wer hat nicht davon gehört? Wenn vier Menschen so plötzlich und ungewöhnlich zu Tode kommen, reden die Leute darüber.“
„Was reden Sie denn?“
„Darüber kann ich nichts sagen.“
„Könnte Samuel Blakely darin verwickelt sein?“
„Auch dazu kann ich nichts sagen. Ich muss jetzt wirklich zurück ins Haus. Mein Mann kommt gleich von der Nachtschicht und erwartet sein Essen.“ Die Tür wurde ins Schloss gedrückt, und wir gingen zum nächsten Haus. Eine runzelige Alte mit einer Nase,
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