Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
blieb er schweigsam, ebenso an den ersten Tagen nach unserer Rückkehr in die Baker Street. Nachdem ihn das Londoner Alltagsleben jedoch wieder im Griff hatte und der nächste Fall ins Haus trudelte, verschwand der Nachgeschmack der Niederlage weitestgegehend. Holmes selbst erwähnte den Fall nie wieder, dennoch war ich überzeugt, dass ihn das Scheitern in diesem Fall in manch dunkler Stunde keine Ruhe ließ.
Was ich von der Geschichte halten sollte, wusste ich auch Jahre später noch nicht. Ich behielt die Geschehnisse in Thorleywood im Auge. Vermutlich, um so eine Antwort auf die offenen Fragen zu finden. Doch genau wie Holmes es prophezeit hatte, gab es nach diesem Tag keinen einzigen ungewöhnlichen Todesfall mehr.
Ob dies ein weiterer Beweis für den Fluch war, wusste ich nicht.
Ich war jedoch heilfroh, danach nie wieder einen Fuß nach Thorleywood setzen zu müssen.
SHERLOCK HOLMES UND DER ORCHIDEENZÜCHTER
Klaus-Peter Walter
Respekt vor hoher Geburt war Sherlock Holmes ebenso fremd wie vor hohen Ämtern oder akademischen Titeln. Andererseits investierte er oft viel Zeit und Kraft in die Lösung von Problemen einfacher Menschen – bloß weil dieses die bizarren Aspekte aufwies, die er brauchte, um sein Hochleistungsgehirn sinnvoll zu beschäftigen. Ein solch bizarrer Fall war der des Orchideenzüchters Dr. Maltravers.
„Dr. Maltravers konnte normal und vernünftig sprechen und handeln. Erst in einem einzigen Detail zeigte sich sein Wahn. Wie heißt es so schön bei King Lear ? ‚Oh tiefer Sinn und Aberwitz gemischt!’
Er war wirklich absolut einmalig!“
Alles begann damit, dass Mrs Hudson eine kleine, dickliche Frau zu uns hereinführte und als „Mrs Patsy Payton“ vorstellte.
„Miss, bitte, nicht Mistress! Ich bin nicht verheiratet“, korrigierte unsere Besucherin leise, und obwohl an ihrer Kleidung abzulesen war, dass sie aus den Kreisen von Hausbediensteten stammte, erhob sich Holmes bei ihrem Eintreten. Selbstredend tat ich es ihm nach.
Nachdem er sich und mich vorgestellt hatte, deutete Holmes zur Begrüßung sogar einen Handkuss an, der die kleine Frau erröten ließ.
Er wollte allerdings nur ihre Hand genau betrachten, denn er beugte sich einen Augenblick länger darüber als man es gemeinhin für schicklich erachtet hätte.
„Sie sind eine Jüngerin Isabella Beetons, wie ich sehe“, stellte er fest. Daraufhin versuchte Miss Payton ihre Hände hinter dem Rücken, zu verstecken – sie trug, wie bei Bediensteten üblich, keine Handschuhe.
„Das habe ich aber nicht gesagt, Mr Holmes.“
„Nein, das haben Sie in der Tat nicht. Ich möchte sogar noch weitergehen und behaupten, dass Sie über einen einigermaßen modernen Küchenherd verfügen, der Ihnen das Anbraten von Fleisch in Pfannen, Tiegeln und Töpfen ermöglicht. Es ist unschwer zu erkennen, dass Sie als Köchin tagtäglich mit heißem Fett zu tun haben. Die Fettspritzer zerstören die oberste Schicht und damit die Farbe der Haut. Die unterschiedlich hellen Flecken verschiedenen Alters auf Fingern und Handrücken sind ein untrügliches Kennzeichen Ihres Berufsstandes. Die hellen Flecken wären auch vermehrt in Ihrem Gesicht zu finden, müssten Sie sich mit einer offenen Feuerstelle behelfen, von der das Fett nicht nur auf Ihre Hände, sondern in alle Richtungen spritzt.“
„Sie haben in allem Recht, Mr Holmes!“
Ich forderte sie mit einer Handbewegung auf, auf unserem Besuchersessel Platz zu nehmen. „Danke!“
„Außerdem haben Sie zweifelsohne heute Morgen Karotten geschabt. Die Verfärbungen Ihrer Fingerspitzen sind eindeutig. Dabei haben Sie sich in den linken Zeigefinger geschnitten und die Wunde mit einem Streifen Papier verklebt. Doch sind Sie derzeit nicht in Stellung, wie ich sehe, Miss Payton?“
„Mr Holmes! Sie müssen irgendwie Erkundigungen über mich eingezogen haben.“
„Aber nein, meine Beste. Wenn Sie in Stellung wären, trügen Sie sicherlich auch jetzt Haube und Schürze, und Sie wären um diese Uhrzeit an Ihrem Arbeitsplatz. Ich schließe daraus, dass Sie derzeit eine neue Beschäftigung suchen.“
„Ach so! Ja, dann ... ja, ich habe eine Anzeige aufgegeben und hoffe, bald ein Angebot zu bekommen. Derzeit führe ich meinem unverheirateten Bruder den Haushalt, aber ich möchte ihm nicht länger zur Last fallen.“
„Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?“
„Es hängt mit meiner vorherigen Stellung zusammen. Ich war Küchenmeisterin bei Dr. Maltravers. Dr. Belmondo
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