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Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel

Titel: Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Nachricht von Holmes. Stavroula kam wie gewohnt in Begleitung ihrer Tochter, doch um keinen Preis der Welt wollten mir die Frauen mehr über den Arpaganthropos erzählen. Immerhin gelang es mir, das Gespräch auf griechische Volkssagen und griechischen Aberglauben im Allgemeinen zu lenken. So erfuhr ich, warum Stavroula so viel Wert darauf legte, vor der Mittagsstunde zu Hause zu sein.
    „Mittagsstunde gehört Toten. Und bösen Geists. In Mittagsstunde Zeit bleibt stehen.“
    Was sollte man dem entgegenhalten? Es war der schiere Aberglaube!
    Am zweiten Tag nach Holmes’ Weggang fiel das Angeln aus. Als ich nämlich zum Anleger kam, fand ich meinen delphinischen Freund sterbend, aus vielen Wunden blutend, zwischen den Uferklippen. Irgendein schreckliches Seeungeheuer hatte ihm große Fleischstücke bei lebendigem Leibe aus dem Körper gerissen. Das flache, unruhige Wasser war von seinem Blut rot gefärbt, und das jämmerliche Klagen des Tieres war angetan, jeden Stein in zehn Meilen Umkreis erweichen zu lassen. Mindestens zwanzig andere Delphine – große und kleine, alte und junge – bevölkerten weiter draußen das Wasser. Sie schienen ihrem Kameraden das letzte Geleit geben zu wollen.
    „Hallo“, begrüßte mich Delphile ganz, ganz leise.
    „Hallo“, antwortete ich mit belegter Stimme. Mit einer schwachen Kopfbewegung bedeutete mir Delphile, ihm den Kopf zu kratzen, was ihn augenblicklich beruhigte. Es tat ihm sichtlich gut. Über das Kratzen merkte ich nicht gleich, wie er starb. Einen Moment lang war nur das Rauschen der Brandung zu hören. Im nächsten Augenblick brachen die Delphine draußen in ein wildes Klagegeschrei aus, das Kinderweinen ähnelte. Vielleicht weinten sie wirklich um das tote Familienmitglied. Vielleicht forderten sie mich auch zum Mitkommen auf. Als ich neben Delphile am Ufer sitzen blieb, zogen sie sich wieder ins offene Meer zurück.
    Aus Delphiles zahllosen Wunden zog ich mehrere Zähne, die ich, wiewohl kein Ichthyologe, einem Haifisch zuzuordnen geneigt war.
    Ob es im Mittelmeer so große Haie gab, die einen Delphin töten können? Die Antwort auf diese Frage überstieg meine Kenntnisse.
    Beerdigen konnte ich das tote Tier nicht. Es war viel zu schwer, und um ein Grab in dem felsigen Boden auszuheben, hätte ich mehrere Stangen Dynamit oder einige Wochen mit Pickel und Schaufel benötigt. Fast erleichtert war ich darum, als der Kadaver am nächsten Morgen verschwunden war. Das Meer, dachte ich, gibt es, das Meer nimmt es.
    An diesem neuen Morgen wollte ich wieder zum Angeln hinausrudern. Es war schon spät, denn ich hatte nach dem Leeren einer Flasche griechischen Weines zu Delphiles Gedenken verschlafen.
    Dieses Mal begrüßte mich die gesamte Delphinschule draußen auf dem Meer. Dicht gedrängt schwammen die Tiere meinem Boot entgegen. Offenbar kannten sie mich genau und wussten, dass von mir keine Gefahr drohte.
    Wahrscheinlich lag es an der Anwesenheit der Delphine, dass ich an diesem Vormittag meine Angel vergeblich auswarf. Kein einziger Fisch biss an. Vermutlich hätte ich meinen Fang sowieso an die so drollig bettelnden Jungdelphine verfüttert und am Ende ohnehin nichts nach Hause gebracht. Ich würde mich mit Ziegenkäse, Fladenbrot und Rotwein begnügen müssen.
    Die Delphine kamen reihum zu meinem Boot, um sich kratzen zu lassen. Offenbar hatte Delphile ihnen von der menschlichen Sprache erzählt, denn einige begrüßten mich schon völlig korrekt mit
    „hallo“. Vergeblich versuchte ich ihnen zusätzlich die Worte „wie geht’s?“ beizubringen. Sie konnten damit nichts anfangen. So verging die Zeit wie im Fluge, die Sonne stieg immer höher und ich musste mir zum Schutz vor ihr meinen Strohhut aufsetzen. Plötzlich aber waren die Delphine wie auf ein geheimes Kommando hin verschwunden. Was mochte sie verscheucht haben? Die Sonne hatte mittlerweile den Zenit erreicht. Die Mittagsstunde war angebrochen.
    Jene Stunde des Tages, die Stavroula mehr fürchtete als jede andere.
    Müsstest auch du sie fürchten?, fragte ich mich. Das Meer war totenstill. Zwei Sekunden später erfuhr ich den Grund. Eine ungeheure Kraft, deren Herannahen ich nicht bemerkt hatte, rammte von unten mein Boot und zerschmetterte die Bodenplanken. Zwischen dem berstenden Holz konnte ich kurz den grauen Kopf eines großen Tieres erkennen. Der Anprall war so gewaltig, dass sich das Bug senkrecht aufrichtete und ich über das Heck ins Wasser stürzte. Das Boot überschlug sich und fiel auf mich.

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