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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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ein einfaches Billett dritter Klasse genommen. Dem Angestellten war sein aufgeregtes und nervö-
    ses Verhalten aufgefallen. Er war so zittrig gewesen, daß er kaum das Wechselgeld ric htig einstecken konnte. Der Angestellte hatte ihm dabei noch geholfen. Ein Vergleich mit dem Fahrplan zeigte uns, daß dieser 8.15 Uhr-Zug der erste war, den West nehmen konnte, nachdem er seine Braut um 7.30 Uhr auf der Straße hatte stehen lassen.
    »Wir wollen die Sache einmal rekonstruieren, Watson«, sagte Holmes, nachdem er eine halbe Stunde geschwiegen hatte. »Ich weiß nicht, ob wir in unserer gemeinsamen Arbeit jemals einen Fall hatten, der so schwierig in den Griff zu bekommen war. Nach jeder kleinen Hürde, die wir genommen haben, bauen sich gleich wieder neue Barrieren auf. Und doch haben wir auch ganz achtbare Erfolge erzielt.
    Unsere Nachforschungen in Woolwich haben in der Hauptsache immer stärker den jungen West belastet, aber die Anzeichen am Fenster tragen zu einer günstigeren Hypothese für ihn bei. Lassen Sie uns zum Beispiel einmal annehmen, daß sich ein fremder Agent an ihn heran-gemacht hat. Vielleicht ist er zum Schweigen gezwungen worden. Aber in seinen Gedanken beschäftigte ihn die Angelegenheit so sehr, daß er seiner Braut gegenüber Andeutungen machte. Sehr gut. Wir wollen nun annehmen, daß er mit seiner Braut auf dem Weg zum Theater ist und plötzlich im Nebel den gleichen Agenten sieht, der auf das Büro zugeht. Er war ein hitzköpfiger junger Mann, schnell in seinen Entschlüssen. Es ging hier darum, seine Pflicht zu erfüllen. Er folgte dem Mann, kam zu dem Fenster, sah, wie die Dokumente entwendet wurden und verfolgte den Dieb. Auf diese Weise kommen wir auch über die Schwierigkeit hinweg, daß niemand die Originalpapiere mitnehmen würde, der fähig wäre, Kopien herzustel-len. Dieser Außenseiter mußte die Originale nehmen. So weit paßt alles zusammen.«
    »Was ist der nächste Schritt?«
    »Da geraten wir in Schwierigkeiten. Man könnte sich doch vorstellen, daß der junge West unter diesen Umständen den Dieb am Kragen packt und Alarm schlägt. Warum hat er das nicht getan? Könnte das ein höherer Vorgesetzter gewesen sein, der die Papier an sich nahm? Das würde Wests Benehmen erklären. Oder der Dieb ist im Nebel verschwunden, ohne daß West ihn kriegen konnte, so daß er sich sogleich auf den Weg nach London machte, um stracks sich zu seiner Wohnung zu begeben und ihm dort die Papiere abzujagen. Dabei müssen wir aber voraussetzen, daß er wußte, wohin sich der Dieb wenden würde. Er muß es sehr eilig gehabt haben, denn das Mädchen stand im Nebel, und er unternahm nichts, um sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Hier wird unsere Spur kalt, und wir haben eine klaffende Lücke zw ischen beiden Hypothesen und der Leiche Wests, die mit sieben Dokumenten in der Tasche auf dem Dach der Untergrundbahn liegt. Wenn ich meinem Instinkt folge, so möchte ich jetzt vom anderen Ende her arbeiten. Wenn wir von Mycroft die Liste mit den Adressen haben, sind wir vielleicht imstande, unseren Mann herauszufinden, und können zwei Spuren verfolgen anstatt einer. «
    In der Baker Street erwartete uns tatsächlich eine Nachricht. Holmes überflog den Brief und schob ihn zu mir herüber.
    »Wir haben viele kleine Fische, aber nur wenige würden sich an eine so große Affaire wagen.
    Die einzigen Männer, die in Frage kommen, wären Adolph Meyer, Great George Street 13, Westminster; Louis La Rothiere, Campden Mansion, Notting Hill; und Hugo Oberstein, Caulfield Gardens 13, Kensington. Von Letzterem wissen wir, daß er Montag in der Stadt war, nun aber abgereist ist. Freue mich, zu hören, daß du schon etwas klarer siehst. Das Kabinett erwartet deinen endgültigen Bericht mit großer Spannung. Eindringliche Vorstellungen haben uns von höchster Stelle erreicht. Die ganze Staatsmacht ist hinter dir, falls du sie benötigen soll-test. Mycroft. «
    »Ich fürchte«, sagte Holmes lächelnd, »daß sämtliche Pferde der Königin und all ihre Männer in dieser Angelegenheit nicht he lfen können. « Er hatte einen großen Londoner Stadtplan ausgebreitet und beugte sich eifrig darüber. »Gut, gut!« sagte er schließlich mit einem befriedigten Seufzer, »ein wenig günstiger sieht es jetzt doch schon aus. Also, Watson, schließlich und endlich glaube ich doch wieder daran, daß wir diesen Fall noch klären werden. « In einem plötzlichen Ausbruch von Heiterkeit klopfte er mir auf die Schulter. »Ich gehe jetzt

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