Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
bekommt. Ah, Billy, was ist los?«
Der Junge war ins Zimmer zurückgekehrt und trug eine Karte auf dem Tablett. Holmes sah drauf und hob die Augenbrauen mit amüsiertem Lächeln.
»Der Herr kommt selber. Das hatte ich kaum erwartet. Packen wir die Nesseln an, Watson!
Der Mann hat Nerven! Sicherlich haben Sie gehört, daß er sich bei der Großwildjagd einen Namen gemacht hat. Sicher wäre es für ihn die Krönung seiner sportlichen Laufbahn, wenn er auch mich zu seiner Beute zählen könnte. Ein sicheres Zeichen dafür, daß er sich von mir arg bedrängt fühlt.«
»Holen Sie die Polizei.«
»Vielleicht sollte ich das wirklich tun. Aber noch nicht sofort. Würden Sie einmal vorsichtig aus dem Fenster schauen und sehen, ob jemand in der Straße herumlungert?«
Watson hob das Ende der Gardine und schaute auf die Straße. »Ja, ein grober Kerl steht in der Nähe der Tür.«
»Das dürfte Sam Merton sein - der treue, aber leider etwas dumme Sam. Wo ist der Herr, Billy?«
»Im Wartezimmer, Sir.«
»Führ ihn herein, wenn ich klingele.«
»Ja, Sir. «
»Falls ich nicht im Zimmer sein sollte, führ in trotzdem herein.«
»Ja, Sir.«
Watson wartete, bis die Tür geschlossen war. Dann wandte er sich ernst an seinen Freund.
»Schauen Sie her, Holmes, dies ist einfach unmöglich. Er ist ein Mann, der zu allem fähig ist, der vor nichts Halt macht. Er kommt vielleicht, um sie umzubringen.«
»Das würde mich nicht überraschen.«
»Ich bestehe darauf, bei Ihnen zu bleiben.«
»Sie wären aber schrecklich im Wege.«
»Ihm im Wege?«
»Nein, mein lieber Freund, mir wären Sie im Wege.«
»Wie dem auch sei, ich kann Sie nicht verlassen.«
»Doch, das können Sie, Watson. Und das werden Sie auch tun, denn Sie haben immer fair mitgespielt. Und ich bin überzeugt, daß Sie auch dieses Spiel bis zum Ende mitspielen werden. Den Mann haben seine eigenen Gründe zu mir getrieben, aber er kann meinen dienlich sein, wenn er bleibt. « Holmes zog sein Notizbuch hervor und schrieb ein paar Zeilen auf.
»Nehmen Sie ein Cab nach Scotland Yard und bringen Sie Youghal vom C.I.D. diese Nachricht. Und kommen Sie mit der Polizei zurück. Die Verhaftung des Kerles wird danach erfo lgen. «
»Das werde ich mit tausend Freuden tun.«
»Bevor Sie wiederkommen, habe ich gerade Zeit genug, herauszufinden, wo der Stein sich befindet.« Er drückte den Klingelknopf. »Ich denke, daß wir durch das Schlafzimmer hinausgehen werden. Dieser zweite Ausgang ist doch sehr nützlich. Ich möchte meinen Hai gerne betrachten, bevor er mich sieht. Ich habe, wie Sie sich erinnern werden, meine eigene Art, Beobachtungen anzustellen. «
So geschah es, daß Count Sylvius einen Augenblick später von Billy in ein leeres Zimmer ge-führt wurde. Der berühmte Großwildjäger, Sportsmann und Salonlöwe war ein großer, dunkler Mann. Er trug einen gewaltigen schwarzen Bart, der den brutalen Mund mit den dünnen Lippen verdeckte. Die lange, gebogene Nase wirkte wie der Schnabel eines Adlers. Er war gut gekleidet, aber sein brillantes Halstuch, die glänzende Nadel und die glitzernden Ringe wirkten aufdringlich. Als die Tür sich schloß, blickte er sich mit wilden, erschrockenen Augen um, wie jemand, der an jeder Ecke eine Falle vermutet. Dann zuckte er heftig zusammen, als er den unbeweglichen Kopf und den Kragen des Morgenmantels entdeckte, die aus dem Sessel in der Fensterecke herausschauten. Zunächst war sein Ausdruck reines Erstaunen. Dann blitzte eine schreckliche Hoffnung in seinen dunklen, mörderischen Augen auf. Noch einmal schaute er sich um, ob es nicht doch einen Zeugen gäbe, und dann schlich er auf Zehenspitzen, seinen Stock halb erhoben, auf die stille Gestalt zu. Er hatte sich zum endgültigen Sprung und Schlag gebückt, als eine kalte, zornige Stimme ihn von der Schlafzimmertür her begrüßte:
»Lassen Sie sie heil, Count, machen Sie sie mir nicht kaputt!« Der Mörder fuhr zurück, Erstaunen in seinem verzerrten Gesicht. Einen Augenblick lang hatte er seinen mit Blei be-schwerten Stock gehoben, als wollte er seine Wut von dem Ersatz auf das Original verlagern, aber in den ruhigen grauen Augen und dem spöttischen Lächeln war etwas, das ihn die Hände sinken lassen ließ.
»Ein hübsches, kleines Ding«, sagte Holmes und ging auf sein Ebenbild zu. Der französische Bildhauer Tavernier hat es gemacht. Er ist ein so großer Meister in Wachsmodellen wie ihr Freund Straubenzee im Herstellen von Luftgewehren ist.«
»Luftgewehre, Sir.
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