Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
hat.«
»Möglicherweise sagt Ihnen der Name meines Sohnes Douglas mehr. «
Holmes sah sie mit großem Interesse an.
»Liebe Zeit! Sind Sie die Mutter von Douglas Maberley? Ich kenne ihn flüchtig. Aber natürlich kennt ganz London ihn und seine glänzende Karriere! Was macht er jetzt?«
»Tot, Mr. Holmes, tot! Er war Attache in Rom. Dort ist er im letzten Monat an einer Lunge n-entzündung gestorben.«
»Oh, das tut mir leid! Niemals würde man Tod mit einem so vitalen Menschen in Verbindung bringen. Ich kenne niemanden, der auf mich lebendiger gewirkt hat. Jede Faser an ihm schien intensiv zu leben. «
»Zu intensiv, Mr. Holmes. Das war sein Ruin. Sie erinnern sic h, wie er war, immer frohen Mutes, immer strahlend. Sie haben die mürrische, schweigsame, depressive Kreatur nicht erlebt, zu der er sich entwickelt hatte. In Wirklichkeit ist er an gebrochenem Herzen gestorben.
Ich mußte mitansehen, wie in einem einzigen Monat aus einem frohen, netten Jungen ein mü-
der, zynischer Mann wurde.«
»Eine Liebesaffäre - eine Frau? «
»Oder ein Teufel. - Na ja, ich habe Sie nicht hergebeten, Mr. Holmes, um über meinen armen Jungen zu reden.«
»Dr. Watson und ich stehen zu Ihren Diensten.«
»Es sind ein paar sehr seltsame Dinge geschehen. Ich bin vor einem knappen Jahr in dieses Haus eingezogen. Ich wollte gerne zurückgezogen leben und habe mich darum auch nicht um meine Nachbarn gekümmert. Vor drei Tagen kam nun ein Mann zu mir, der behauptete, er sei ein Hausmakler. Er sagte, dieses Haus gefiele einem seiner Klienten sehr gut. Wenn ich mich davon trennen könnte, spielte das Geld keine Rolle. Das kam mir sehr seltsam vor, denn wie mir scheint, stehen in der Nachbarschaft mehrere leere Häuser, die ähnlich wie meines angelegt sind. Aber ich wollte natürlich gerne sein Angebot hören. Darum habe ich ihm einen Preis genannt- fünfhundert Pfund mehr, als ich dafür gezahlt habe. Er nahm sofort an und füg-te hinzu, daß sein Klient auch die Möbel gerne übernehmen würde, und ob ich auch dafür den Preis nennen könnte. Manche der Möbel stammen noch aus meiner Kindheit. Sie sind sehr gut. Und so nannte ich ihm eine gute, runde Summe. Auch damit war er sofort einverstanden.
Ich wollte immer gerne reisen. Das Angebot war so gut, daß ich mir diesen Wunsch erfüllen und für den Rest meines Lebens keine Sorgen haben würde.
Gestern kam der Mann wieder und hatte den Vertrag fix und fertig ausgeschrieben. Glücklicherweise zeigte ich ihn Mr. Sutro, meinem Notar, der hier in Harrow wohnt. Er sagte zu mir:
>Dies ist ein sehr merkwürdiges Dokument. Sind Sie sich klar darüber, daß, wenn Sie es un-terschreiben, Sie legalerweise nicht das Geringste aus dem Haus mitnehmen dürfen, nicht einmal sehr private Dinge?< Als der Mann gestern Abend wiederkam, wies ich darauf hin, daß ich nur gewillt sei, die Möbel zu verkaufen. >Nein, nein, alles<, sagte er.
>Aber meine Kleider und mein Schmuck?<
>Na ja, ein paar Konzessionen können wohl gemacht werden. Aber nichts darf das Haus un-kontrolliert verlassen. Mein Klient ist ein sehr großzügiger Mensch. Aber er hat seinen Spleen und möchte Dinge gerne auf seine eigene Weise getan sehen. Bei ihm geht es immer um alles oder nichts.<
>Dann ist es Nichts<, sagte ich. Dabei blieb es dann. Aber die ganze Sache erschien mir so seltsam und hintergründig, daß ich dachte -«
Hier wurde unser Gespräch plötzlich unterbrochen.
Holmes erhob seine Hand und bat damit um Schweigen. Dann schlich er auf Zehenspitzen durch das Zimmer, riß die Tür auf und zog eine große, hagere Frau herein, die er an der Schulter gepackt hatte. Sie ließ sich nur nach einem sehr undamenhaften Kampf in das Zimmer hineinzerren, wie eine große, ungeschickte Henne, die man in den Hühnerstall sperren will.
»Lassen Sie mich in Ruhe! Was wollen Sie eigentlich!« zeterte sie.
»Wieso, Susan, was soll das?«
»Madam, ich wollte gerade fragen, ob die Herren zum Lunch bleiben, als dieser Herr auf mich losging.«
»Ich habe sie seit mehr als fünf Minuten gehört, aber ich wollte Ihre interessante Geschichte nicht unterbrechen. Grad ein bißchen aus der Puste, Susan, was? Für Asthmatiker ist dieser Job nichts.«
Susan wandte sich mürrisch, aber verwundert dem Mann zu der sie erwischt hatte. »Wer sind Sie überhaupt und was für ein Recht haben Sie, mich hier herumzuzerren?«
»Ich wollte nur eine Frage in Ihrer Gegenwart stellen. Mrs. Maberley, haben Sie irgend jemand gegenüber erwähnt,
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