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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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kann nicht!‹, rief sie.
    ›Ehe du mir nicht sagst, wer in dem Haus drüben gewohnt hat und wem du die Fotografie gegeben hast, kann von Vertrauen zwischen uns keine Rede mehr sein‹, sagte ich, riss mich von ihr los und verließ das Haus.
    Das war gestern, Mr Holmes, und seitdem habe ich sie nicht wiedergesehen, und das ist auch alles, was ich von der ganzen seltsamen Geschichte weiß. Es ist der erste Schatten, der zwischen uns gefallen ist, und ich bin so erschüttert davon, dass ich nicht mehr aus und ein weiß. Da fuhr es mir plötzlich heute Morgen durch den Sinn, Sie seien der Mann, der mich beraten könnte in meiner Not; so bin ich hierhergeeilt und gebe mich unbedenklich in Ihre Hände. Habe ich Ihnen irgendeinen Punkt nicht deutlich genug beschrieben, fragen Sie mich, bitte! Aber vor allem sagen Sie mir schnell, was ich tun soll. Denn dieses Elend ist mehr, als ich tragen kann.« –
    Holmes und ich hatten mit größtem Interesse dem ungewöhnlichen Bericht gelauscht, der stoßweise und abgebrochen erstattet wurde, wie von einem Mann, der unter dem Einfluss der höchsten Aufregung steht. Jetzt saß mein Freund eine Weile schweigend, in Gedanken verloren, das Kinn auf die Hand stützend, da.
    »Wie ist es«, sagte er endlich, »können Sie beschwören, dass es ein Männergesicht war, das Sie am Fenster gesehen haben?«
    »Jedes Mal, wenn ich es gesehen habe, war ich ziemlich weit weg, sodass ich es unmöglich sagen kann.«
    »Es hat aber einen unangenehmen Eindruck auf Sie gemacht?«
    »Es schien mir eine unnatürliche Farbe und sonderbare starre Züge zu haben. Trat ich näher, verschwand es mit einem Ruck.«
    »Wie lange ist es her, dass Ihre Frau die hundert Pfund haben wollte?«
    »Fast zwei Monate.«
    »Haben Sie je ein Bild von ihrem ersten Gatten gesehen?«
    »Nein, kurz nach seinem Tod ist in Atlanta Feuer ausgebrochen, und alle ihre Papiere sind verbrannt.«
    »Und doch hatte sie eine Sterbeurkunde. Sie sagen, Sie haben sie gesehen?«
    »Ja, sie hat sich nach dem Brand ein Duplikat ausstellen lassen.«
    »Haben Sie einmal mit jemandem gesprochen, der sie in Amerika gekannt hat?«
    »Nein.«
    »Hat sie selbst einmal davon geredet, dass sie ihren früheren Wohnplatz wiedersehen möchte?«
    »Nein.«
    »Kamen Briefe an sie von dort?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Danke Ihnen. Jetzt möchte ich die Sache ein wenig überdenken. Bleibt das Häuschen dauernd verlassen, wird es einiges Kopfzerbrechen kosten. Sind aber, was mir wahrscheinlicher dünkt, die Bewohner gestern von Ihrem Kommen verständigt worden und infolge dieser Warnung ausgerückt, dann sind sie jetzt vielleicht wieder da, und das Geheimnis lässt sich unschwer aufdecken. Ich gebe Ihnen daher den Rat, Sie kehren nach Norbury zurück und erkunden, ob an den Fenstern des Häuschens wieder etwas zu sehen ist. Haben Sie Grund zu der Annahme, es sei bewohnt, dann dringen Sie nicht gewaltsam hinein, sondern drahten meinem Freund und mir. Eine Stunde später sind wir bei Ihnen und werden dann bald sehen, was der ganzen Geschichte zugrunde liegt.«
    »Und wenn noch niemand drin ist?«
    »In diesem Fall komme ich morgen zu Ihnen, und wir besprechen, was weiter in der Angelegenheit zu tun ist. Leben Sie wohl, und vor allem grämen Sie sich nicht, bevor Sie nicht wissen, dass Sie wirklich Ursache dazu haben!«
    »Ich fürchte, das ist ein schlimmer Handel, Watson!«, sagte mein Gefährte, als er Mr Grant Munro hinausbegleitet hatte und wieder zurückgekommen war. »Was machen Sie daraus?«
    »Es klingt nicht schön«, antwortete ich.
    »Ja. Es handelt sich um Erpressung, wenn ich mich nicht sehr irre.«
    »Und wer übt Erpressung aus?«
    »Nun, das kann einzig und allein das Wesen sein, das in dem einzigen gut ausgestatteten Zimmer dort wohnt und die Fotografie der Frau auf dem Kaminsims stehen hat. Auf mein Wort, Watson, das fahle Gesicht am Fenster hat für mich etwas sehr Anziehendes, und ich würde den Fall nicht um alle Welt hingeben.«
    »Haben Sie eine Theorie?«
    »Ja, soweit dies meine bisherige Kenntnis der Tatsachen zulässt. Aber es sollte mich wundern, wenn sie sich nicht als richtig erwiese. Der erste Ehemann der Frau befindet sich in dem Häuschen.«
    »Warum denkst du das?«
    »Wie können wir uns sonst ihre wahnsinnige Angst erklären, als ihr zweiter Mann in das Haus dringen wollte? Wie ich die Sache auffasse, ist der Tatbestand etwa folgender: Die Frau war in Amerika verheiratet. Sie entdeckte an ihrem Mann irgendwelche

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