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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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bringen und ihn verleiten, etwas Unbedachtes zu sagen. Der Stiefelputzer war bereit, mir den Weg zu seinem Zimmer zu zeigen. Es war im zweiten Stockwerk, und ein enger Flur führte dorthin.
    Der Junge wies auf das Zimmer und war schon fast wieder unten, als ich etwas entdeckte.
    Und was ich sah, das hat mir beinahe den Magen umgedreht, trotz meiner zwanzigjährigen Erfahrung als Polizist. Unter der Tür schlängelte sich ein schmaler Streifen roten Blutes, der quer durch den Flur floß und vor der Scheuerleiste der anderen Seite eine kleine Pfütze bildete. Ich schrie auf, und das brachte den Stiefelputzer zurück. Die Tür war von innen verschlossen, aber wir stemmten uns mit den Schultern dagegen und drückten sie ein. Das Zimmerfenster war offen. Neben dem Fenster, völlig zusammengekauert, lag ein Mann im
    Nachthemd. Er war seit einigen Stunden tot, denn seine Glieder waren völlig steif und kalt.
    Als wir ihn umdrehten, erkannte der Junge den Herrn, der auf den Namen Stangerson das
    Zimmer gebucht hatte. Die Todesursache war ein tiefer Stich in die Brust, der das Herz getroffen haben mußte.
    Nun aber kommt der merkwürdigste Teil der Geschichte. Was glauben Sie, fand ich über dem Ermordeten an der Wand?«
    Mich überlief eine Gänsehaut der Erwartung des Kommenden, noch ehe Sherlock Holmes
    antwortete:
    »Die Worte RACHE in Buchstaben von Blut geschrieben?«
    »Das war es«, sagte Lestrade mit bebender Stimme.
    Eine Weile schwiegen wir alle. Den Untaten dieser unbekannten Mörder ging Methodisches voraus und waren zugleich so unverständlich, daß man sich den Verbrecher eher wie einen schrecklichen Geist vorstellen konnte. Meine Nerven, die auf dem Schlachtfeld ganz in
    Ordnung gewesen waren, zitterten, wenn ich daran dachte.
    »Der Mörder wurde gesehen«, fuhr Lestrade fort. »Ein Milchjunge kam auf seinem Weg zur Meierei vorbei. Er ging zufällig die schmale Gasse hinunter, die an den Stallungen an der Rückfront des Hotels vorbeiführt. Er bemerkte, daß eine Leiter, die gewöhnlich auf dem Boden lag, gegen eines der Fenster im zweiten Stock gelehnt war. Das Fenster stand weit offen. Nachdem er schon vorbeigegangen war, sah er noch einmal zurück. Ein Mann stieg die Leiter hinunter und das tat er so ruhig und selbstverständlich, daß der Junge ihn für einen Zimmermann oder Tischler hielt, der im Hotel eine Arbeit auszuführen hatte. Zwar meinte der Junge, es sei wohl ziemlich früh für einen Handwerker, mit seiner Arbeit zu beginnen, aber das ging ihn ja nichts an. Nach seiner Erinnerung war der Mann groß, hatte eine rötliche Gesichtsfarbe und trug einen langen braunen Mantel. Nach dem Mord muß er sich noch eine Weile in dem Zimmer aufgehalten haben, denn man fand blutiges Wasser im Waschbecken,
    wo er sich offensichtlich die Hände gewaschen hatte. Außerdem waren Blutflecken am
    Laken, wo er wohlüberlegt sein Messer abgewischt haben mußte.«
    Die Beschreibung des Mörders stimmte haargenau mit der seinigen überein.
    Ich sah zu Holmes herüber. In seinem Gesicht fand sich jedoch kein Ausdruck der
    Befriedigung.
    »Haben Sie in dem Zimmer nichts gefunden, was auf den Mörder hinweisen könnte?« fragte er.
    »Nichts. Stangerson hatte Drebbers Brieftasche bei sich. Aber das scheint nichts
    Ungewöhnliches zu sein, denn er beglich sämtliche Rechnungen. Es waren um die achtzig
    Pfund drin, die aber unangetastet geblieben sind. Was immer das Motiv für diesen Mord war, Raubmord war es jedenfalls nicht. Papiere oder Aufzeichnungen befanden sich nicht in der Tasche des Ermordeten, ausgenommen ein Telegramm, in Cleveland aufgegeben und einen
    Monat alt. Es enthielt die Worte: >J. H. ist in Europa.< Diese Nachricht trug weder Unterschrift noch Absenderangabe.«
    »Und weiter nichts?« fragte Holmes.
    »Nichts Bedeutendes. Ein Roman, den der Mann vor dem Einschlafen gelesen hatte, lag auf dem Bett und seine Pfeife auf dem Stuhl daneben. Auf dem Tisch stand ein Glas Wasser und auf der Fensterbank ein kleines Döschen, das ein paar Pillen enthielt.«
    Sherlock Holmes sprang mit einem Jubelruf auf.
    »Das letzte Glied!« rief er. »Ich habe alles beisammen.«
    Die beiden Detektive starrten ihn voller Staunen an.
    »Nun hab ich alle Fäden in der Hand«, sagte mein Freund zuversichtlich. »Das Knäuel ist entwirrt. Es fehlen natürlich noch ein paar Details, die diesem Fall eingefügt werden müssen, aber was die wesentlichen Teile betrifft, bin ich mir völlig sicher. Vom Zeitpunkt an, wo sich Drebber und

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