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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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womöglich nur die Rückgabe seiner weißen Frau erbitten.« Lestrade stand auf und nahm seinen Mantel. »Er hat beinahe die richtige Größe. Und er ist Rechtshänder.«
    »Und seine Schuhe?«
    Lestrade grinste breit. »Seine Schuhe, Mr. Holmes, sind drei Wochen alt und wurden im Strand gekauft.«

KAPITEL ZWÖLF

    Der Parse und Porkpie Lane

    Nachdem Lestrade gegangen war, saß Sherlock Holmes eine ganze Weile unbeweglich. Er schien so versunken, daß ich ihn gerne in Frieden gelassen hätte, aber ich war selbst zu besorgt, um lange an mich halten zu können.
    »Sollten wir nicht mit dem Mann sprechen?« fragte ich und warf mich in den Sessel ihm gegenüber. Er blickte langsam und mit gedankenzerfurchter Miene zu mir auf.
    »Ja, das sollten wir wohl«, stimmte er zu, stand auf und begann sich anzukleiden. »Unter den Umständen empfiehlt es sich, die üblichen Schritte zu unternehmen.«
    »Glauben Sie denn, daß sie tatsächlich den Schuldigen gefunden haben?«
    »Den Schuldigen?« Er erwog die Frage, während er einige Schlüssel in die Westentasche steckte und eine Blendlaterne hinter dem Tisch hervorholte. »Ich bezweifle es. Es gibt mir zu viele Erklärungen. Und Ausdrücke wie ›beinahe die richtige Größe‹ verraten, daß Lücken bestehen. Aber wir gehen besser hin, wenn auch nur, um herauszufinden, was sich nicht abgespielt hat.« Er trat mit einem Ausdruck von Ernst auf mich zu, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. »Ich habe eine dunkle Ahnung, daß Böses bevorsteht, Watson. Lestrade hat sich hübsch säuberlich einen Indizienfall gebastelt, in dem das abscheuliche Gespenst des Rassenvorurteils eine bedeutende und unverhohlene Rolle spielen wird. Achmet Singh mag unschuldig sein, aber er ist von Anbeginn im Nachteil.«
    Er äußerte sich nicht weiter zu dem Thema, sondern überließ mich während der schweigsamen Fahrt nach Whitehall meinen eigenen Gedanken. Wir hatten keine Schwierigkeiten, zu dem Häftling eingelassen zu werden, da Lestrade uns bei seinem Besuch selbst aufgefordert hatte, den Mann aufzusuchen.
    Als man uns zu Singhs Zelle brachte, gab Holmes einen Seufzer der Erleichterung von sich. Der Mann, den wir durch das Fensterchen in der Zellentür betrachteten, war winzig von Gestalt und drahtig gebaut. Er erschien weder stark noch groß genug, um die Kraftproben zu vollbringen, die die Anklage ihm würde unterstellen müssen. Außerdem trug er eine Brille mit den dicksten Gläsern, die ich je gesehen hatte, und hielt die Zeitung, die er las, nicht einmal einen Zentimeter von seiner Nase entfernt.
    Holmes nickte dem Wärter zu, der die Tür aufschloß.
    »Achmet Singh?«
    »Ja?« Ein Paar dunkelbrauner Augen blinzelten uns hinter Brillengläsern an. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Sherlock Holmes. Dies ist Dr. Watson.«
    »Sherlock Holmes!« Der kleine Mann kam eifrig auf uns zu. »Dr. Watson!« Er wollte unsere Hände ergreifen, überlegte es sich aber anders und zog sich mißtrauisch zurück. »Was wünschen Sie?«
    »Wir möchten Ihnen helfen, wenn wir können«, sagte Holmes freundlich. »Dürfen wir uns setzen?«
    Singh zuckte die Achseln und wies unbestimmt auf seine armselige Pritsche. »Für mich gibt es keine Hilfe«, erwiderte er mit zitternder Stimme, »ich habe kein Alibi, und ich kannte das Mädchen. Außerdem habe ich die passende Schuhgröße und kaufe im falschen Schuhgeschäft ein. Schließlich und endlich bin ich farbig. Wo in aller Welt sind die Geschworenen, die einer solchen Kombination widerstehen könnten?«
    »Britische Geschworene werden ihr widerstehen«, sagte ich, »vorausgesetzt, daß wir der Anklage Mangel an Beweisen vorwerfen können.«
    »Bravo Watson!« Holmes ließ sich auf der Pritsche nieder und winkte mir, dasselbe zu tun. »Mr. Singh, lassen Sie uns Ihre Version des Vorgefallenen hören. Zigarette?« Er gab vor, ein Etui aus der Tasche zu ziehen, aber der andere lehnte mit einer zerstreuten Handbewegung ab.
    »Meine Religion verweigert mir die Tröstungen von Tabak und Alkohol.«
    »Wie bedauerlich.« Holmes verbarg mit Mühe ein Schmunzeln. »Berichten Sie mir nun, was Sie von dieser Sache wissen.«
    »Was habe ich Ihnen zu sagen, da ich die arme Miss Rutland nicht umgebracht habe und nicht weiß, wer es getan hat?« Die unglückselige Kreatur hatte Tränen in den Augen; die dicken Gläser schienen sie zu vergrößern und damit seinen Kummer zu verdoppeln.
    »Sie müssen uns alles mitteilen, was Sie wissen, auch wenn es Ihnen noch so unwichtig

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