Shevchenko, A.K.
und an den Ärmeln entlang bis zu den Handgelenken liefen.
»Du musst besser aussehen als er, mon cher.« Sie benutzte einen französischen Ausdruck, den sie am
Abend zuvor von diesem Pariser Fuchs Lestoque gelernt hatte. »Ich werde ein
paar diamantene Knöpfe und Epauletten für dich bestellen.« Sie bat einen
Diener, die Post hereinzubringen.
»Liest du mir die Post vor, Alexej?«, bat sie sanft. »Ich
kann heute kaum die Buchstaben erkennen. Hab immer noch Kopfschmerzen vom
vielen Tanzen.«
Rasumowski wusste, ebenso wie der ganze Hofstaat, dass
Elisabeth das Lesen nicht nur verabscheute, sondern geradezu als gefährlich
erachtete - und überzeugt war, zu viel Lektüre habe zum Tod ihrer geliebten
Schwester Anna geführt.
Der Brief stammte von Graf Saltikow, dem russischen
Botschafter in England.
»... und ich beeile mich, Euch mitzuteilen, Matuschka«, las Alexej, »dass ich den Feind des Reichs, den französischen Grafen Orly (geboren
als der ukrainische Kosak Grygorij Orlyk) kürzlich in Child's Kaffeehaus
erblickte. Er befand sich in Begleitung einer jungen und, ich darf wohl sagen,
sehr anziehenden Dame kleinrussischer Herkunft. Wie Ihr wisst, gewähren manche
Kaffeehäuser auch Damen Zutritt. Es war überaus schwierig, in dem Stimmengewirr
das ganze Gespräch zu belauschen, denn in Londoner Kaffeehäusern geht es
geräuschvoll zu, doch sprachen sie über gewisse Dokumente und weitere Reisen.
Der Name des Mädchens ist...« Alexej brach ab.
»Was ist denn los, mon cher?«, erkundigte
sich die Zahn. »Ich habe noch nie zuvor bemerkt,
dass dir das Lesen Schwierigkeiten bereitet.«
Alexej fuhr fort, indem er den letzten Satz wiederholte: »Der Name
des Mädchens ist Sofia Polubotok. Ihre weiteren Reiseziele sind uns noch nicht
bekannt... Wir harren Eurer Befehle, Nishayschy poklon - meine tiefste
Ehrerbietung, Euer unterwürfiger Diener Poslannik (Botschafter) Graf Saltikow.«
» Was sollen wir erwidern, Alexej
?«, fragte die Zarin. »Schau, dieses Mädchen trägt einen berüchtigten Namen.
Die Polubotoks gelten seit über zwei Jahrzehnten als Feinde des Reichs. Oder
vielleicht ist das eine andere Polubotok - all diese kleinrussischen Namen
klingen so ähnlich für mich. Du kennst nicht zufällig diese Familie?«
Graf Rasumowski dachte an den Tag, als sein Freund Jakiw
Vater wurde. Wie verärgert er, Rasumowski, gewesen war, dass es sich um ein
Mädchen handelte, nicht um einen Jungen. »Keine Sorge, ich werde sie zu einem
echten Kosaken erziehen«, hatte Jakiw damals zu seinem Freund gesagt. »Wir
nennen unsere Tochter Sofia. Würdest du ihr Pate sein, Olexij? Das wäre
naheliegend. Dein Name, Rosum, bedeutet >Verstand<, und Sofia bedeutet
>Weisheit<. Verstand und Weisheit brauchen einander immer, nicht wahr?«
Sie hatten offenbar zu viel getrunken, sonst hätte er nie
zugestimmt. Es geschah nur vier Monate vor Ankunft jenes Briefs, in dem stand,
dass der Besitzer jener engelsgleichen Stimme hei Hof
vorstellig werden sollte, vier Monate bevor sein
Leben sich für immer wenden sollte. Nicht dass er seine Pflichten vergessen
hat. Er hat sich immer gefreut, Nachrichten von der Familie Polubotok über
Sofia zu erhalten - einmal hat er sogar zurückgeschrieben und Zweifel geäußert,
ob es denn wirklich notwendig sei, dass Sofia studiere. Er hatte hier einfach
zu viel zu tun, wurde bei Hof durch so viele Dinge in Anspruch genommen.
Ständige Intrigen, Klatsch und Liebeleien. Ja, er musste beim abendlichen
Kartenspiel absichtlich verlieren, um zu zeigen, dass er nicht klug genug sei!
Sein ganzes Leben hier war bis jetzt ein einziges Glücksspiel.
Graf Rasumowski schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Matuschka.
Der Name sagt mir nichts.«
Elisabeth sah ihn forschend an. »Seltsam. Aber nicht
unmöglich, sie muss ja noch sehr klein gewesen sein, als du deine alte Welt
hinter dir gelassen hast. Nun ja, Golubtschik« - sie
nannte ihn stets »mein Täubchen«, wenn niemand in der Nähe war -, »du bist
jetzt Feldmarschall, also kannst du dies allein erledigen. Du weißt ja, wie
sehr ich den Besuch in deinem Land genossen habe und wie sehr ich deine Leute
liebe. Sie sind sanft und ohne Falsch, aber man kann heutzutage nicht
vorsichtig genug sein. Ich bin dieser französischen Intrigen bei Hof
überdrüssig. Du hast mich stets beschützt. Ich möchte alles über die Reisen
dieses Mädchens wissen. Wohin, warum und wann. Bitte kümmere dich darum, Golubtschik.« Zärtlich blickte die Kaiserin ihren
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