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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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drei Jahren zu erfüllen.
    Im Mai wurde das Propaganda-Rot der Demonstrationen zum
Tag der Arbeit von der bräutlichen Frische der Kastanienblüte gedämpft - doch
diese Freude war von kurzer Dauer. Die Gesichter, die Gebäude, selbst die
goldenen Kuppeln der Klöster und Kirchen waren von einer grauen Patina bedeckt.
    Jetzt, als Taras den Kreschatik-Boulevard entlang zum
Hauptplatz hinunterschlendert, befindet er sich in einer Szenerie für ein
völlig anderes Foto.
    Von der Shampoo-Reklame, die sich über drei Stockwerke des
Kaufhauses erstreckt, zwinkert ihm eine riesige Blondine zu; ein Cowboy zielt
mit dem Lasso auf Taras, um ihn ins »Marlboro Country« abzuschleppen. Der mit
Granitplatten versehene Hauptplatz, auf dem sich früher ein riesiges
Lenin-Monument erhob, gehört nun den Roller-Bladern und Skateboardern, die
neidischen Gaffern ihre Kunststücke vorführen. Obwohl die Frühlingsluft feucht
und klamm ist, versuchen die Straßencafes bereits Gäste anzulocken und werben
auf ihren bunten Sonnenschirmen für alle erdenklichen Softdrink-Marken. Taras
wählt ein Cafe mit knallroten Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen. Neben ihm
zwitschern und kichern ein paar Mädchen im Teenageralter. Sie zelebrieren ihre
neu entdeckte Sexualität, präsentieren stolz ihre neongrünen und pinkfarbenen
Jäckchen und Minikleider - türkische und chinesische Kopien der schwarzen und
cremeweißen Designermodelle aus den kürzlich eröffneten Boutiquen. Der Service
in dem Cafe lässt sehr zu wünschen übrig - eigentlich gibt es überhaupt keinen
Service. Taras steht auf, stellt sich an der Theke für seine Cola an und kommt
in den Genuss einer Straßenseifenoper. Die Kellnerin klammert sich an den
Telefonhörer, als habe sie Angst, in den maskaraschwarzen Tränenbächen zu
ertrinken, die ihr übers Gesicht strömen.
    »Was soll das heißen, nicht persönlich gemeint?«, kreischt
sie. »Wir sind seit drei Monaten zusammen, du hast meine Eltern kennengelernt
... Komm schon, saitschik, lass uns reden!« - sie ändert den
Ton, nennt ihren Freund in ihrem verzweifelten Liebesflehen »mein Häschen«.
    Das erinnert Taras an die Unterhaltung, die er vor einem
Monat mit seinem Chef geführt hat. Am Tag vor seiner Abreise nach London hat
Karpow ihn in sein Büro gerufen. Er hat ihm letzte Instruktionen erteilt, dann
über Taras hinweg einen frischen Riss in der Tapete betrachtet und hinzugefügt:
»Sie sagten, Sie hätten zusammen studiert. Ich hoffe, dass nichts Persönliches
im Spiel ist, Leutnant.« Karpow wird nie erfahren (oder jedenfalls so tun, als
ob er es nicht weiß), dass diese Sache für Taras von Anfang an persönlich war,
dass sie persönlich ist und für alle Zeiten persönlich sein wird.
    Wann hat es angefangen? Vielleicht an dem Tag, als er die
Akte N 1247 aus dem Regal zog und in der
oberen linken Ecke das Wort 30JTTO las. Er hat schon vorher Akten gelesen, die
mit Gold betitelt waren.
    Die erste war die Akte N 1442 /b. Für
eine solche Story hätten Journalisten das Archiv gesprengt: eine Story über das
Gold der Zarenfamilie, während des Ersten Weltkriegs im Ausland versteckt; die
Ringe der Zaren, eingenäht in die Kleidersäume
ihrer Kammerjungfern, und die mit 172 Diamanten
besetzte Zarenkrone, die im Koffer des Leibarztes unter einem Blindboden versteckt
nach London geschmuggelt worden war. Taras hatte die Akte damals als Nicht für
die Öffentlichkeit bestimmt einstufen und an die
Spezialabteilung Spezchran schicken müssen, aber letztlich
war es eine Enttäuschung gewesen. Bei den »Augenzeugen« handelte es sich in
Wirklichkeit um Gerüchtemacher und bei den »Beweisen« um schlichten Tratsch.
    Die Akte N 2113 - Goldreserven
des Russischen Reichs, gelagert in japanischen Banken - stufte
Taras als Unentschieden ein. Es war nur eine Frage der
Zeit, bevor man sich dieser Akte bedienen würde: Sie enthielt die Kopie des 1921 unterzeichneten
Kontrakts zwischen Rosanow, General der Weißen Armee, und der Siokin Bank in
Yokohama und harrte der Präsentation. Der zuversichtliche handschriftliche
Titelblattvermerk eines hochrangigen Funktionärs (Kann als
wichtiger Hebel in den Verhandlungen zum Kurilenkonflikt dienen) veranlasste
Taras damals, diese Einstufung vorzunehmen.
    Und dann war da noch die Akte Gold der
Weißen Armee, N 1872. Drei
Fässer mit Goldmünzen, Anfang 1920 von der
Koltschak-Armee in der sibirischen Taiga versteckt. Aufregende Lektüre: Dort
ansässige Jäger und Offiziere der Roten Armee und

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