Shibumi: Thriller (German Edition)
Informationsgeschäft zurückgezogen, aber ich habe immer noch ein paar Brosamen aus alten Zeiten übrig und werde dir helfen, so gut ich kann.«
»Ich muss dir aber gestehen, dass man mir mein Geld genommen hat und ich dich nicht sofort bezahlen kann.«
De Lhandes winkte ab. »Ich schicke dir eine Rechnung aus der Hölle. Du wirst sie an den angesengten Ecken erkennen. Geht es um eine Einzelperson oder um eine Regierung?«
»Um eine Regierung. Ich muss nach England. Man wird mich dort erwarten. Es handelt sich um eine sehr schwerwiegende Angelegenheit, daher muss mein Ansatzpunkt entsprechend wirksam sein.«
De Lhandes seufzte. »O je! Ich wollte, es wäre Amerika. Gegen die habe ich etwas in der Hand, da würde die Freiheitsstatue sich sofort hinlegen und die Beine breitmachen. Aber England? Gar nichts. Bruchstücke und Kleinkram. Einiges davon allerdings ziemlich saftig, aber etwas wirklich Großes – leider nein.«
»Was hast du denn?«
»Ach, nur das Übliche. Nichts Besonderes. Homosexualität im Foreign Office …«
»Das ist nicht neu.«
»Auf dieser Ebene aber interessant. Und ich habe Fotos. Es gibt wohl kaum etwas so Lächerliches wie die Körperhaltungen eines Mannes bei der Liebe. Vor allem, wenn er nicht mehr zu den Jüngsten zählt. Was habe ich sonst noch? Ach ja … ein bisschen Ungebärdigkeit in der königlichen Familie? Eine abgeblockte Untersuchung des Flugzeugunglücks, das diesen … du weißt schon, wen … das Leben gekostet hat?« De Lhandes blickte zur Decke empor und überlegte, was er sonst noch in den Akten hatte. »Ach ja, es gibt Beweise dafür, dass das Techtelmechtel zwischen den arabischen Ölinteressen und der City doch weit intimer ist als allgemein angenommen wird. Und eine Menge über einzelne Regierungsangehörige – zumeist steuerliche und sexuelle Unregelmäßigkeiten. Bist du ganz sicher, dass du nichts über die Vereinigten Staaten willst? Ich habe da einen richtigen Knüller. Eine unverkäufliche Information. Zu groß für beinahe jeden herkömmlichen Zweck. Das wäre, als wollte man ein Ei mit einem Vorschlaghammer aufklopfen.«
»Nein, danke, es muss unbedingt England betreffen. Ich habe keine Zeit, von Washington aus einen indirekten Druck auf London zu inszenieren.«
»Hm-hm-hm. Ich will dir was sagen. Du nimmst einfach den ganzen Krempel. Sorge dafür, dass er veröffentlicht wird, schön ein Knallbonbon nach dem anderen. Ein Skandälchen nach dem anderen. Alle zusammengenommen werden das Vertrauen in die Regierung erschüttern – du weißt ja, wie. Ein einzelner Pfeil allein ist nicht stark genug, aber gebündelt … Wer weiß? Mehr kann ich dir leider nicht bieten.«
»Dann muss es eben auch so reichen. Wollen wir es wie üblich arrangieren? Ich nehme die Fotokopien? Und wir benutzen ein ›Druckknopf‹-Auslösesystem mit den deutschen Zeitschriften als Hauptempfänger?«
»Das hat bisher noch nie versagt. Bist du sicher, dass dir nicht doch etwas an dem bronzenen Hymen der Freiheitsstatue liegt?«
»Ich wüsste nicht, was ich damit anfangen sollte.«
»Na ja, wäre auch im günstigsten Fall eine recht schmerzhafte Veranstaltung. Also – kannst du heute Nacht hierbleiben?«
»Wenn es geht, gern. Ich fliege morgen Mittag von Biarritz ab und darf nicht vorzeitig erkannt werden. Die Polizei hat ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt.«
»Schade. Sie sollten dich lieber als den letzten überlebenden Vertreter deiner Spezies unter Naturschutz stellen. Weißt du, Nikolai Alexandrowitsch, ich habe in letzter Zeit über dich nachgedacht. Nicht oft, denn wenn man den kritischen Moment des Lebens erreicht, verbringt man nicht mehr viel Zeit damit, über die Nebendarsteller in der eigenen Farce nachzudenken. Und eine der am schwersten verdaulichen Erkenntnisse ist für den Egozentriker die, dass er in jeder Biografie außer der seinen eine Nebenrolle spielt. Ich bin Statist in deinem Leben, du in meinem. Wir kennen uns seit über zwanzig Jahren, von unseren Geschäften abgesehen aber – und von den Geschäften muss man immer absehen – haben wir insgesamt vielleicht zwölf Stunden intimer Gespräche und aufrichtiger Anteilnahme an den Gedanken und Gefühlen des anderen miteinander verbracht. Ich kenne dich, Nikolai, praktisch einen Tag. Im Grunde ist das gar nicht so schlecht. Die meisten guten Freunde und Ehepaare, und das ist nur selten ein und dasselbe, könnten sich nach einem ganzen Leben, in dem sie Heim und Ärger, territoriale Abgrenzungen und
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