Shining
»Kein besonderer Wagen«, vertraute er Danny an. »Nur geliehen. Meine Bessie steht in Florida. Ein richtiges Auto. Ein 1950er Cadillac, und wie er noch läuft! Ich lasse den Wagen immer zu Hause. Er ist zu alt für die ganze Bergsteigerei. Soll ich dir helfen?«
»No, Sir«, sagte Danny. Er schaffte es, die Tasche die letzten zehn oder zwölf Schritte zu tragen, ohne zu jammern, dann setzte er sie mit einem Seufzer der Erleichterung ab.
»Du bist ein tüchtiger Junge«, sagte Hallorann. Er holte einen großen Schlüsselring aus der Tasche seiner blauen Sergejacke und schloss den Kofferraum auf. Als er die Gepäckstücke einlud, sagte er: »Du bist hellsichtig, Junge. Hellsichtiger, als ich es je bei einem Menschen erlebt habe. Und ich werde im Januar sechzig.«
»Hmmh?«
»Du hast so etwas«, sagte Hallorann und wandte sich ihm zu. »Ich habe es immer hellsichtig genannt. Meine Großmutter auch. Sie war hellsichtig. Als ich noch ein Junge war, ungefähr so alt wie du, saßen wir in der Küche und führten lange Gespräche, ohne den Mund aufzumachen.«
»Wirklich?«
Danny stand mit offenem Mund und fast hungrigem Gesichtsausdruck da, und Hallorann musste lächeln. »Komm, setz dich einen Augenblick zu mir in den Wagen. Ich will mit dir reden.«
Er schlug den Kofferraum zu.
Aus dem Foyer sah Wendy Torrance, dass ihr Sohn sich auf den Beifahrersitz setzte, als der große schwarze Koch hinter das Steuer glitt. Voll Angst krampfte sich ihr das Herz zusammen, und sie öffnete schon den Mund, um Jack zu sagen, dass Hallorann es ernst gemeint hatte – er schien Danny tatsächlich nach Florida entführen zu wollen. Aber sie saßen nur da. Sie konnte das schmale Profil ihres Sohnes kaum sehen, während er jetzt das Gesicht dem großen Schwarzen zuwandte. Aber er hielt den Kopf so, dass sie ihn selbst auf diese Entfernung erkennen konnte – so hielt er den Kopf, wenn ihn im Fernsehen etwas besonders faszinierte oder wenn er mit seinem Vater Karten spielte. Jack, der immer noch Ullman suchte, hatte nichts gemerkt. Wendy schwieg und beobachtete nervös Halloranns Wagen. Sie überlegte, worüber die beiden wohl sprachen, dass Danny den Kopf so hielt.
Im Wagen sagte Hallorann gerade: »Du fühlst dich wohl ganz schön einsam, wenn du denkst, dass du der einzige bist?«
Danny, der sich manchmal nicht nur einsam gefühlt, sondern auch gefürchtet hatte, nickte. »Bin ich denn der einzige, den Sie je getroffen haben?«
Hallorann lachte und schüttelte den Kopf.
»Nein, Kind, nein. Aber du bist hellsichtiger als alle anderen.«
»Gibt es denn viele?«
»Nein«, sagte Hallorann, »aber man trifft gelegentlich jemanden. Manche sind nur ein wenig hellsichtig. Sie wissen es nicht einmal. Aber sie scheinen immer gerade dann mit Blumen aufzukreuzen, wenn ihre Frauen sich unwohl fühlen, sie schreiben in der Schule gute Arbeiten, obwohl sie sich nicht vorbereitet haben, sie können sofort die Stimmung der Anwesenden einschätzen, wenn sie einen Raum betreten. Von solchen kenne ich fünfzig oder sechzig. Aber, zusammen mit meiner Großmutter, vielleicht nur ein Dutzend, die wissen, dass sie hellsichtig sind.«
»Oh je«, sagte Danny und dachte darüber nach. Dann: »Kennen Sie Mrs. Brant?«
»Die?« fragte Hallorann verächtlich. »Die ist nicht hellsichtig. Die schickt nur jeden Abend ihr Essen dreimal zurück.«
»Ich weiß«, sagte Danny ernst. »Aber kennen Sie auch den Mann in der grauen Uniform, der die Wagen bringt?«
»Mike? Klar kenne ich Mike. Was ist mit ihm?«
»Mr. Hallorann, warum will sie seine Hose haben?«
»Wovon redest du bloß, Junge?«
»Als sie ihn beobachtete, dachte sie, dass sie ihm gern an die Hose wollte, und ich habe mir überlegt warum –«
Aber er kam nicht weiter. Hallorann hatte den Kopf zurückgeworfen und explodierte fast vor Lachen. Er lachte so gewaltig, dass der ganze Sitz wackelte. Danny lächelte erstaunt, und endlich erholte sich Hallorann von seinem Lachanfall. Er holte ein riesiges Seidentuch aus der Brusttasche, als ob er die weiße Flagge zeigte, und wischte sich die tränenden Augen ab.
»Junge«, sagte er und lachte immer noch, »bevor du zehn Jahre alt bist, wirst du alles über die Menschen wissen, und ich weiß nicht, ob ich dich beneiden soll.«
»Aber Mrs. Brant –«
»Kümmere dich nicht um sie«, sagte er. »Und frag auch nicht deine Mutter. Du würdest sie nur beunruhigen. Kapiert?«
»Yes, Sir.« Danny hatte sehr gut kapiert. Er hatte seine Mutter auf
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