Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
es genauso wie Elvis nach seinem Tod. Er war lebendiger, gegenwärtiger, öfter zu hören denn je.
Und dieses Goldstück, dieser Brief des Mörders oder von wem auch immer, würde die Kugel ins Rollen bringen. Maury plante, die Botschaft auf Sendung vorzulesen, den Hörern mitzuteilen, dass sie »vielleicht« von dem Mörder stamme, seiner Meinung nach aber eher ein Schwindel sei, von einem Trittbrettfahrer. Davon erhoffte er sich, dass der Kerl dumm genug war, in der Sendung anzurufen. Wäre das nicht die Supershow? Maury brauchte nichts weiter zu tun, als den Briefschreiber herauszufordern. Dann erst würde er die Polizei einschalten.
Als er den Flur entlangschritt, musste Maury unwillkürlich lächeln. Er war es leid, die zweite Geige zu spielen; es war an der Zeit, ins A-Team aufzusteigen.
»Das kann doch nicht wahr sein!« Abby vermochte ihren Frust nicht zu verbergen. Sie telefonierte gerade mit dem vierten Sicherheitsdienst an diesem Tag. Sie lehnte sich in ihrem kleinen Studio im Herzen von New Orleans an den Schreibtisch, zählte stumm bis zehn und versuchte, die Ruhe zu bewahren.
»Es ist aber so, Madam«, versicherte eine raue Stimme am anderen Ende der Leitung. »Den nächsten freien Termin haben wir … mal sehen …« Sie hörte, wie Seiten umgeblättert wurden, und fragte sich, warum Stan’s Security Service seineTerminplanung nicht per Computer erledigte. »… wie’s aussieht Montag in zwei Wochen, aber vielleicht ergibt sich zwischendurch noch was. Man kann nie wissen. Trudie, unsere Sekretärin, kennt sich viel besser aus als ich, aber sie macht gerade Pause. Wenn sie zurück ist, kann sie Ihnen alles genau sagen. In zehn, fünfzehn Minuten dürfte sie wieder hier sein.«
»Danke, ich melde mich dann noch einmal«, sagte Abby und legte auf. Wer hätte gedacht, dass sich die Suche nach einer Firma, die sofort eine simple Alarmanlage installieren konnte, genauso schwierig gestaltete wie ein Einbruch in Fort Knox? Sie blickte auf ihren Monitor, auf dem die jüngste Ausgabe der Gelben Seiten aufgerufen war und sich mit ihrer Liste von Sicherheitsdiensten und Installateuren von Alarmanlagen über sie lustig zu machen schien.
Warum sollte sie sich die Mühe überhaupt noch machen?
Sie wollte das Haus ja ohnehin verkaufen.
Sean Erwin, dieser stoppelhaarige Mann, der kein gutes Wort für ihr Haus übrig gehabt hatte, wollte später am Nachmittag noch einmal zu einer Besichtigung kommen. Dieses Mal würde er nicht nur sein Maßband, sondern auch eine Liste mit den Ausmaßen seiner Möbel mitbringen, und einen Skizzenblock, auf dem er, wie er verraten hatte, die Anordnung seiner Lieblingsstücke aufgezeichnet hatte, der Dinge, ohne die er »absolut nicht leben« konnte.
Abby hielt es für Zeitverschwendung, hatte aber zugestimmt, ihn nach der Arbeit in ihrem Studio, wo sie Anrufe getätigt, Rechnungen bezahlt, Mahnungen an säumige Kunden geschickt und anderen Papierkram erledigt hatte, zuhause zu empfangen.
Sie versuchte schon den ganzen Tag lang, nicht an Detective Reuben Montoya zu denken. Warum der sexy Polizist ihrnicht aus dem Kopf ging, verstand sie einfach nicht. Sie rief sich noch einmal ins Gedächtnis, dass sie ja nicht auf der Suche nach einem Mann war. Sie hatte vielmehr beschlossen, sich bis zu ihrem Umzug an die Westküste Verabredungen, Männer und Sex ganz aus dem Kopf zu schlagen.
Aber der Detective mit dem schiefen Lächeln schlich sich immer wieder in ihre Träume und auch in ihre Gedanken.
Alles in allem war es also viel besser für sie, schnellstens umzuziehen.
Bevor es zu spät war.
Es ist längst zu spät, Abby. Du hast Feuer gefangen. Gesteh’s dir nur ein.
Na gut. Dann eben: bevor sie eine Dummheit beging.
Ach, Schätzchen, höhnte ihre innere Stimme. Was Detective Montoya betrifft, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen, und du weißt es.
Laura Beck war wütend.
Sie fuhr ihren Lincoln Continental mit einem Bleifuß im Manolo-Blahnik-Schuh. Das stimmt nicht ganz, dachte sie kleinlaut. Die Riemchenschuhe aus Leopardenfell-Imitat waren keine echten Blahniks, sondern verdammt gute Fälschungen, und sie hatten über zweihundert Dollar gekostet. Deshalb freute sie sich auch keineswegs darauf, durch Regen und Dreck stapfen zu müssen und sie womöglich zu ruinieren.
Als Kind armer Leute in den Appalachen aufgewachsen, hatte sie schon frühzeitig den Wert des Geldes kennen gelernt, und sie verdankte es nur ihrem Verstand, ihrem Mumm und, nun ja, und der
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