Shoal 01 - Lichtkrieg
Gehirnschaden, schlussfolgerte sie. Falls er überhaupt so was wie ein Gehirn hat.
»Ich glaube, er wird wieder.« Sie lehnte sich zurück und setzte sich auf die Fersen. »Und ich gehe nirgendwohin, Corso.«
»Aber Sie sagten …«
»Ich will nichts weiter als die Wahrheit wissen. Die einzige Person, die annähernd ehrlich zu mir war, sind Sie. Außerdem wird man mich sowieso irgendwie ins Vertrauen ziehen müssen -hab ich recht?«
Corso schluckte trocken. »Also gut. Es handelte sich tatsächlich um die übliche Erkundung eines Sternsystems – jedenfalls zu Anfang. Aber dann … fanden wir etwas, mit dem wir nicht gerechnet hatten.«
»Und was fanden Sie?«
»Hier können wir nicht darüber sprechen.« Corso schüttelte den Kopf. Er machte einen ängstlichen Eindruck.
Eine Hand strich über Dakotas Schienbein, und vor Schreck wäre sie beinahe in die Höhe gesprungen. Als sie nach unten blickte, starrte sie direkt in Udos weit aufgerissene Augen.
»Mala … Oorthaus.« Seine Stimme klang trocken und brüchig und ließ Vergleiche an einen Stein in der Wüste aufkommen, der plötzlich sprechen gelernt hat. »Ich fordere Sie heraus. Zu einem Zweikampf auf Leben und Tod.«
Dakota setzte zu einer Antwort an, aber Udo schüttelte langsam den Kopf, und sie verstummte.
»Nicht sofort. Später. Vorläufig halte ich mich zurück. Aber eines Tages begegnen wir beide uns mit ebenbürtigen Waffen, und dann werde ich Sie töten.« Er hustete angestrengt. »Ich lasse Sie nicht auffliegen. Wir behaupten, wir seien von Agenten der Uchidaner angegriffen worden. Auf diese Version einigen wir uns, kapiert? Doch ich warne Sie – sollten Sie mich verraten, werde ich mich revanchieren!«
Udos Kopf sank nach hinten, aus seiner Kehle löste sich ein langgezogener, gutturaler Seufzer; dann verlor er das Bewusstsein.
»Wissen Sie was«, wandte sich Mala kurz darauf an Corso, »er meinte Sie genauso. Wenn Sie jemandem den wahren Sachverhalt auftischen, erklären, was sich in Wirklichkeit hier abgespielt hat, dann macht er Sie fertig.«
»Und was ist mit Ihnen, Dakota? Würden Sie mich umbringen, wenn ich Arbenz erzählte, was in dieser Bar los war?«
Unschlüssig blickte sie zur Seite.
Das Bedürfnis, endlich wieder jemandem zu vertrauen, gewann die Oberhand. Sich ständig zusammenreißen zu müssen, Stärke und Überlegenheit zu mimen, obschon sie sich unsäglich einsam fühlte und nur mit Schrecken an ihre Zukunft dachte, zerrte an ihren Nerven; mitunter hatte sie das Gefühl, sie könnte den Verstand verlieren.
Ein toter Lucas Corso wäre ein Zeuge weniger. Das Gleiche galt für Udo, der nun besinnungslos am Boden lag. Aber wenn sie aus diesem Fiasko als einzige Überlebende hervorginge, wer würde dann ihre Geschichte glauben?
»Der Mann, der versucht hat, mich zu töten, heißt Moss«, informierte sie Corso.
Er machte ein Gesicht, als richte er sich darauf ein, noch mehr zu hören, aber lautes Gebrüll draußen in der Gasse verhinderte es, dass sie weitersprechen konnte. Dakota packte Corso beim Arm und zog ihn in Richtung der Tür, die in die hinteren Bereiche der Bar führte. Vielleicht gab es auf der Rückseite des Gebäudes einen zweiten Ausgang.
Corso ließ sich von ihr mitzerren; es schien, als brächte er nicht mehr die Kraft zum Widerstand auf. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen überhaupt etwas glauben kann«, murmelte er.
»Und ich habe keinen blassen Schimmer, ob Sie vertrauenswürdig sind. Aber im Augenblick bin ich an Bord der Hyperion sicherer aufgehoben als irgendwo anders.«
Plötzlich flammte ein gewaltiger Lichtblitz auf, und die Ausgangstür flog nach innen. Rauchschwaden quollen herein, während hochgewachsene Gestalten in die Bar stürmten. Als Erster löste sich Kieran Mansell aus den Qualmwolken, dicht gefolgt von bewaffneten Männern und Frauen, die Peraltas Farben trugen.
Prüfend betrachtete er den Ort der Verwüstung. »Irgendjemand«, grollte er, »hat hier eine Menge zu erklären.«
Die Vernehmungen dauerten fast zwei Tage.
Arbenz hatte jedem das Verlassen der Hyperion verboten, solange die »Art der Bedrohung« nicht feststand. Wer immer die Interessen des Konsortiums auf diesem gigantischen Kernschiff vertrat, hielt sich auffällig bedeckt. Aber nach dem, was Corso aufgeschnappt hatte, neigten die örtlichen Beamten des Syndikats dazu, jedwede Aktivitäten, in die Peralta involviert war, stillschweigend zu dulden.
Arbenz, der sich an seine eigenen Befehle offenkundig nicht gebunden
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