Shoal 01 - Lichtkrieg
aufprallte, und legte schützend die Hände vors Gesicht. Mansell baute sich über ihm auf, die Fäuste geballt und mit vor Wut bebenden Nüstern. Dann schien er die Beherrschung wiederzugewinnen; er bückte sich und stellte den Stuhl hin, ehe er ans andere Ende des Raums stapfte. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er da und stierte die Wand an, als könnten auf der glatten grauen Fläche plötzlich Antworten erscheinen.
»Wer immer dieser Angreifer in der Bar gewesen sein mag, er muss sich quasi unsichtbar gemacht haben, als er sich an Bord des Kernschiffs schmuggelte. Und das bedeutet, dass er über sehr einflussreiche Kontakte verfügt. Aber dieser … Vorfall hat schon viel zu viel Aufsehen erregt. Man ist auf uns aufmerksam geworden.«
»Was ist mit Mala? Was haben Sie mit ihr vor?«
»Ach, nennen Sie sich jetzt beim Vornamen?«, höhnte Kieran und warf einen spöttischen Blick über die Schulter. »Was sollten wir schon mit ihr vorhaben? Sie ist ein Mittel zum Zweck, weiter nichts. Ein Werkzeug. Dagegen sind Sie der Freien Demokratischen Gemeinschaft verpflichtet, Corso. Und Sie müssen an Ihre Familie denken.«
Ein Mittel zum Zweck. Ein Werkzeug. Als Corso diese Worte hörte, begriff er schlagartig, dass Mala in dem großartigen Plan des Senators, die Freie Demokratische Gemeinschaft zu retten, eine Schlüsselrolle spielte. Sie war keineswegs weniger bedeutend als er. Arbenz hatte einen betont abwertenden Ton angeschlagen, als er von Malas Funktion sprach, aber Corso ließ sich nicht täuschen. Ohne Mala – und auch ohne ihn selbst – waren die Freistaatler hilflos.
Doch er war nicht so naiv, sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Sobald Mala und er ihre Schuldigkeit getan hatten und den Freistaatlern nicht mehr von Nutzen sein konnten, würde man sie beide skrupellos eliminieren.
Kapitel Fünfzehn
In wenigen Tagen sollte das Kernschiff den Ort erreichen, der nach Lucas Corsos jüngsten Erkenntnissen das Nova-Arctis-System darstellte. Das gigantische Sternenschiff würde kurz anhalten, um sie auszuladen, wobei es kaum abzubremsen brauchte, wenn es buchstäblich für einen Augenblick aus dem Transluminalraum austrat. Von diesem Punkt an benötigte die Hyperion einen großen Teil ihres restlichen Treibstoffs, um ihre eigene Geschwindigkeit zu drosseln, bis sie im eigentlichen Zielgebiet eintraf.
Corso hatte Tage und Nächte hindurch gearbeitet und war mit einem Minimum an Schlaf und Nahrung ausgekommen. Manchmal glaubte er, das Einzige, was ihn überhaupt noch aufrechthielt, sei seine Forschungstätigkeit. Er verfiel in seinen eigenen Rhythmus und verließ sein Quartier im Gravitationsrad der Hyperion nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ.
Eines Abends begegnete er in einem anderen Teil des Schiffs zufällig Mala; er fühlte sich befangen und wusste nicht, wie er sie ansprechen sollte.
Nach seiner ersten Vernehmung hatte er sich dazu entschlossen, sich höflich und diskret von ihr zu distanzieren, soweit dies möglich war. Er hielt dies für die beste Vorgehensweise. Noch viele Tage nach dem Vorfall in Severns Bar herrschte an Bord der Hyperion eine höchst gespannte Atmosphäre; der geringste Anlass hätte genügt, und es wäre zu Gewalttätigkeiten gekommen.
Sie zog an ihm vorbei, und da sie sich in einer Sektion des Schiffs befanden, in der die Gravitation aufgehoben war, schwebte sie einfach weiter durch den Gang, als hätte sie ihn nicht gesehen. Corso war sich nicht schlüssig, wie er dieses Verhalten deuten sollte. Einerseits verspürte er eine große Erleichterung, dass es nicht zu einer Konfrontation gekommen war, doch gleichzeitig wurmte es ihn über alle Maßen, dass er von Mala ignoriert wurde. Er fand, ein bisschen mehr Beachtung hätte er schon verdient.
Vielleicht plagte ihn auch nur sein schlechtes Gewissen. Er hatte tatenlos zugesehen, wie seine schlimmsten Feinde diese junge Frau, eine Außenseiterin, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeheuert hatten. Mala Oorthaus war das Opfer einer arglistigen Täuschung geworden, nicht mehr und nicht weniger. Und ihn hatte man zu diesem Unterfangen erpresst. Machte dieser Umstand aus Mala und ihm automatisch so etwas wie Verbündete – eine Art Schicksalsgemeinschaft? Würden sie, wenn es irgendwann einmal hart auf hart kam, gemeinsam rebellieren oder sich gegen die Leute, die sie beide für ihre Zwecke benutzten, verschwören?
Corso gab es auf, sich mit derlei komplizierten Gedankenmodellen und Spekulationen zu
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