Shoal 01 - Lichtkrieg

selbst nachgedacht? Ich habe mir das Gehirn zermartert, um auf eine halbwegs plausible Erklärung zu kommen. Aber ich bin zu keinem Schluss gelangt, warum der Shoal mich auserkoren hat, ihm als Handlager zu dienen – es sei denn, diese Spezies verfugt über die Gabe, in die Zukunft zu sehen.«
    »Da gibt es noch viel mehr offene Fragen«, überlegte er laut. »Zum Beispiel kann ich mich nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass sich irgendeine Art von Künstlicher Intelligenz in den Computersystemen der Hyperion versteckt. Das halte ich für schlichtweg unmöglich.«
    »Und warum?«
    Er starrte sie an, als wundere er sich über ihre Naivität. »Kommen Sie! Dass die Shoal über ein geheimes Wissen verfügen, das ihnen gestattet, echte Künstliche Intelligenz herzustellen, kann ich gerade noch akzeptieren. Aber diese KI in die Computersysteme der Hyperion einzuschleusen, ist etwas ganz anderes. Ich garantiere Ihnen, dass es im gesamten Einflussbereich des Konsortiums kein so hoch entwickeltes System gibt, das eine authentische KI beherbergen könnte. Und warum haben die Shoal so lange stillgehalten? Wieso rüsten sie sich erst jetzt zum Eingreifen? Sie hätten uns doch problemlos auf ihrem eigenen Kernschiff kaltstellen können, als wir ihnen buchstäblich vor der Nase hockten. Weshalb ließen sie uns überhaupt bis hierher kommen?«
    Dakota zuckte die Achseln. »Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Ich glaube, dass das Shoal-Mitglied, mit dem ich gesprochen habe – dieses Ding im Inneren der Datenspeicher der Hyperion –, aus irgendeinem Grund allein arbeitet. Alles andere ergibt keinen Sinn.« Sie blickte auf und sah den skeptischen Ausdruck auf seinem Gesicht. »Corso, ich habe Ihnen in jedem Punkt die Wahrheit erzählt. Wenn Sie das nicht merken, sind Sie dämlicher, als ich angenommen habe.«
    In gespielter Demut hob Corso die Hände. Er zog seinen Arbeitsmonitor hervor und hielt ihn eine Weile andächtig in die Höhe, als sei er ein kostbarer Schatz. Dann stellte er ihn auf seinem Knie ab und tippte auf den Bildschirm.
    »Da wir schon beim Informationsaustausch sind, möchte ich Ihnen meine neuesten Erkenntnisse mitteilen. Ich habe die jüngsten Daten analysiert, die wir aus dem Wrack erhalten haben. Eine der wichtigsten Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen, lautet: In welcher Beziehung standen die Shoal und die so genannten Weisen? War es ein Zusammentreffen zweier Spezies, die unabhängig voneinander einen Transluminal-Antrieb entwickelt hatten?« Er legte eine nachdenkliche Pause ein, ehe er mit einem angedeuteten Lächeln fortfuhr: »Bei genauerer Betrachtung ist es sehr wahrscheinlich, dass die Shoal die Technologie, die ein überlichtschnelles Reisen erlaubt, von den Weisen gestohlen haben. Die Beweise sind erdrückend.«
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
    »Sämtliche Indizien für meine Theorie befinden sich hier drin.« Sein Lächeln vertiefte sich, und er tippte abermals auf den Bildschirm. »Ich glaube, ich bin sogar auf Informationen gestoßen, die Aufschluss über die Geschichte der Weisen geben. Obwohl meine Interpretation dieser rudimentären Hinweise vielleicht ein bisschen abenteuerlich klingt.«
    »Schießen Sie los«, forderte sie ihn auf.
    »Ich konnte die Epoche, in der das fremde Schiff gebaut wurde, ein wenig konkreter bestimmen«, erklärte er. »In einem Punkt bin ich mir sicher – es wurde mindestens ein paar Jahrtausende vor der Zeit gebaut, in der die Shoal ihren eigenen Angaben zufolge den Transluminal-Antrieb erfanden.«
    »Ach, das ist ja hochinteressant! Also besaß bereits eine andere Spezies diese Technologie, ehe die Shoal sie aus eigener Kraft entwickeln konnten …«
    »Richtig. Und diese fortschrittliche Spezies traf dann auf die Shoal, die jetzt behaupten, sie seien die einzige Rasse in der gesamten Milchstraße, die über dieses Know-how verfügt«, schloss Corso.
    »Und Sie sind sicher, dass die Shoal wirklich nicht die Ersten waren, die mit Überlichtgeschwindigkeit reisen konnten? Dass sie diese Technik von einem anderen Volk … geklaut haben?«
    Corso zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir so sicher, wie ich es anhand der bis jetzt zutage geförderten Daten überhaupt sein kann. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass ich mich irre, irgendetwas falsch deute. Gewissheit können wir uns erst verschaffen, wenn wir aus dem Wrack mehr Informationen herausgeholt haben. Vor uns liegt eine Forschungsarbeit, die mehrere Jahrzehnte