Shoal 01 - Lichtkrieg
wohl passiert sein mochte.
Schließlich turnte sie den schmalen Gehsteig entlang, der zum Platz führte; sie bemerkte, dass in dem üppigen, feuchten Gras unter ihr zahllose Glassplitter glänzten, die von der Überdachung der Aussichtsterrasse stammten. Urplötzlich fing der gesamte Platz so heftig an zu beben, dass sie um ein Haar über das niedrige Geländer gefallen wäre; bei dem Sturz hätte sie sich böse verletzten können, denn der Boden lag immerhin einige Meter tiefer.
Kein Wunder, dass Bourdains Wachleute geflüchtet waren. Was auch immer hier vorgehen mochte, Dakota einzufangen gehörte nicht mehr zu ihren Prioritäten.
Das Beben hörte genauso schnell auf, wie es gekommen war, und Dakota kletterte schleunigst auf das Bodenniveau zurück. Bei jedem ihrer Schritte knirschten die Glasscherben laut unter ihren Stiefeln, doch da sie offenkundig keine Verfolger mehr hatte, konnte ihr das egal sein.
Jedenfalls dachte sie das. Dann stürmten zwei Wachleute mit erhobenen Waffen aus dem Dickicht, in dem sie sich versteckt hatten. Dakota stieß einen Schrei aus und duckte sich instinktiv, während sich rechts von ihr Geschosse in Baumstämme bohrten.
Abermals hob und senkte sich der Boden, begleitet von einem Donnergrollen, wobei die Stärke des Bebens zunahm. Plötzlich kippte der Untergrund weg und richtete sich zu einer senkrechten Wand auf.
Dakota verlor das Gleichgewicht und landete in irgendwelchen Büschen. Die jähe Veränderung der Schwerkraft machte sie schwindelig. Ihr drehte sich der Magen um, und Übelkeit stieg in ihr auf; verzweifelt griff sie nach ein paar nahen Ästen, während ihre Beine frei in der Luft baumelten. Nun befand sich die Seitenwand des Platzes wenige Meter unter ihren Füßen.
Der Planetengenerator schien verrückt zu spielen. Irgendetwas stimmte hier ganz entschieden nicht.
Einer der beiden Wachmänner hatte sich ein gutes Stück über Dakota an einen Baumstamm geklammert und dann offenbar den Halt verloren. Mit einem geradezu tierischen Gebrüll stürzte er an ihr vorbei in die Tiefe. Er krachte auf einen Betonpfeiler, der einen der Gehwege stützte, und blieb reglos mit merkwürdig verdrehtem Hals liegen. Bei dem Aufprall musste er sich das Genick gebrochen haben. Unweit von ihm lag bereits sein toter Kamerad.
Ein steter Schauer aus Glassplittern rieselte an ihr vorbei und ergoss sich über die beiden Leichen; Dakota hatte Glück, dass das dichte Laubwerk der Büsche sie vor den meisten der herabfallenden Scherben schützte.
Gerade als sie zu ihrem Entsetzen merkte, dass ihre Kraft nachließ und sie sich nicht mehr lange würde festhalten können, regulierte sich die Schwerkraft. Wenige Sekunden später war diese kleine, hochartifizielle Welt zu ihrer Pseudo-Normalität zurückgekehrt, und Dakota kniete erleichtert in dem weichen, nassen Gras.
Es dauerte jedoch eine Weile, bis sie den Mut fand, sich aufrecht hinzustellen.
Irgendwer hatte den MegaKiller aktiviert. Das war die einzige Erklärung für dieses Chaos.
Aber sie traf keine Schuld. Jemand anders hatte diese Superbombe gezündet.
Tief unter Dakotas Füßen erklang eine neue Folge dumpfer Donnerschläge, die beständig lauter wurden. Spalten und Risse zogen sich durch die nahe gelegenen Wände und das Gras. Plötzlich zerbarst der Platz in zwei Hälften, die voneinander wegdrifteten. Mit dem Mut der Verzweiflung sprang Dakota über den klaffenden Abgrund, landete sicher auf der anderen Seite und rannte um ihr Leben. Sie schlug den Weg ein, auf dem sie hergekommen war, denn jetzt galt es, ihr Schiff zu erreichen.
Die künstliche Gravitation, die durch den Planetengenerator auf Bourdains Rock erzeugt wurde, brach zusammen. Auf einmal schwamm Dakota durch die Luft, angetrieben von ihrem eigenen Schwung. Ein jaulender Mahlstrom aus entweichender Atmosphäre schoss brüllend aus den tieferen Schichten des Asteroiden nach oben, brach durch die gähnende Kluft, die mitten durch den Platz verlief, und rauschte in Richtung des zertrümmerten Dachs.
Dakota aktivierte ihren Iso-Anzug, der ihren Körper unter der Kleidung binnen Sekunden mit seinem schützenden Film überzog. Ihre Lungen stellten automatisch die Funktion ein, und wie immer hatte sie einen Moment lang das schreckliche Gefühl, sie müsse ersticken.
Danach entledigte sie sich hastig sämtlicher Kleidungsstücke, weil sie sich möglichst ungehindert bewegen wollte. Doch zuerst zog sie das Geschenk des Shoal-Mitglieds aus der Tasche und hielt es mit einer
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