Shogun
sie ihre Pelze meistens lange durchkauen, um sie so geschmeidig zu machen, daß sie mit ihren Nadeln hindurchkommen.«
Mariko lachte laut auf.
Blackthorne lächelte mit ihr; sein Zutrauen war größer geworden. »Es stimmt, Senhora. Es ist honto.«
» Sorewa honto desu ka?« fragte Toranaga ungeduldig. »Was ist wahr?«
»Ich habe fast ein ganzes Jahr unter ihnen gelebt. Wir waren im Eis eingeschlossen und mußten warten, bis das Tauwetter einsetzte. Ihre Nahrung besteht aus Fischen, Seehunden, gelegentlich einem Eisbären und Walen, die sie roh verzehren. Roher Walspeck gilt bei ihnen als größte Delikatesse.«
»Aber, aber, Anjin-san!«
»Es stimmt. Leben tun sie übrigens in runden Hütten, die ganz aus Schnee bestehen. Außerdem baden sie nie.«
»Was, nie?« brach es aus ihr heraus. Sie dolmetschte dies. Toranaga schüttelte ungläubig den Kopf.
»Mein Gebieter sagt, das sei nun doch übertrieben. Kein Mensch könnte leben, ohne zu baden. Selbst unzivilisierte Menschen nicht.«
»Es stimmt aber – ist honto«, sagte er ruhig und hob die Hand. »Ich schwöre bei Jesus von Nazareth und bei meiner unsterblichen Seele, daß es die reine Wahrheit ist.«
Schweigend sah sie ihn eine Weile an. »Alles?«
»Jawohl. Herr Toranaga wollte die Wahrheit. Warum sollte ich lügen? Mein Leben liegt in seiner Hand. Er kann sich darauf verlassen, daß ich ihm die Wahrheit sage.«
Mariko überlegte einen Augenblick. Dann übersetzte sie peinlichst genau, was er gesagt hatte. Nach einer Weile zu ihm:
»Herr Toranaga meint, es sei unglaubhaft, daß ein Mensch leben könnte, ohne zu baden.«
»Gewiß. Aber man muß bedenken, daß es sich um kalte Länder handelt. Sie haben andere Lebensgewohnheiten als Ihr und als ich. In meiner Heimat zum Beispiel glaubt jeder, Baden sei schädlich. Meine Großmutter pflegte immer zu sagen: ›Ein Bad, wenn man auf die Welt kommt, und noch eines, wenn man auf dem Totenbett liegt, damit man ins Paradies eingehen kann.‹«
»Es fällt sehr schwer, das zu glauben.«
»Dafür sind etliche von Euren Sitten und Gebräuchen für uns schwer zu verstehen. Aber es stimmt, daß ich in der kurzen Zeit, da ich in Eurem Land weile, öfter gebadet habe als in vielen Jahren davor in meinem Lande. Ich gebe aber gern zu, daß ich mich jetzt aus diesem Grunde bedeutend wohler fühle.« Er grinste. »Ich glaube nicht mehr, daß Baden gefährlich ist.«
Kiri sagte: »Er ist erstaunlich – erstaunlich, neh?«
»Wie lautet Euer Urteil über ihn, Mariko-san?« fragte Toranaga.
»Ich bin überzeugt, daß er die Wahrheit spricht. Es ist außerdem leicht einzusehen, daß er für Euch von größtem Wert sein könnte, Euer Gnaden. Wir wissen nur so wenig von der Außenwelt. Ist Euch das wertvoll? Ich weiß es nicht. Aber es ist geradezu so, als ob er von den Sternen herniedergestiegen wäre oder aus dem Meer gekommen. Wenn er ein Feind der Portugiesen und der Spanier ist, dann könnte sein Wissen lebenswichtig für Eure Interessen sein, neh?«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte Kiri.
»Was meint Ihr, Yaemon-sama?«
»Ich, Onkel? Ach, ich meine, er ist häßlich. Sein goldenes Haar und seine Katzenaugen gefallen mir gar nicht; er sieht überhaupt nicht wie ein Mensch aus«, sagte der Knabe atemlos. »Bin ich froh, daß ich nicht als Barbar auf die Welt gekommen bin, sondern als Samurai wie mein Vater. Können wir jetzt weitermachen mit dem Schwimmen, bitte?«
»Morgen, Yaemon«, sagte Toranaga – ärgerlich, daß er sich nicht unmittelbar mit dem Piloten unterhalten konnte.
»Mein Gebieter fragt, warum Ihr so hoch im Norden wart«, fuhr Mariko fort.
»Ich war Pilot auf einem Schiff. Wir versuchten, die Nordostpassage zu entdecken. Vieles, das ich Euch erzähle, wird Euch zum Lachen reizen, ich weiß es«, begann er. »So unterzeichneten zum Beispiel vor siebzig Jahren die Könige von Spanien und Portugal ein feierliches Abkommen, in dem sie den Besitz der Neuen Welt unter sich aufteilten – der noch unentdeckten Welt also. Da Euer Land in die portugiesische Hälfte fällt, gehört es offiziell zu Portugal – Herr Toranaga, Ihr, jeder hier, diese Burg und alles darin gingen an Portugal.«
»Ach, ich bitte Euch, Anjin-san. Verzeiht, aber das ist doch Unsinn.«
»Ich bin ganz Eurer Meinung, daß solche Überheblichkeit ungeheuerlich ist. Aber es ist so. Es ist schriftlich in rechtskräftigen Dokumenten niedergelegt worden, die beiden Königen das Recht geben, jedes von ihren Untertanen
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