Shogun
bemerkte eine heftige Reaktion auf ihrem Gesicht, als sie übersetzte, desgleichen bei Toranaga. Laß ihr Zeit, und mach es einfach, schärfte er sich ein.
»Japanische Truppen? Samurai, meint Ihr?«
»Ich nehme an, man könnte sie als Ronin bezeichnen.«
»Eine ›geheime‹ Karte, sagtet Ihr! Mein Gebieter möchte wissen, wie Ihr an sie gekommen seid.«
»Ein Mann namens Pieter Suyderhof aus Holland war Privatsekretär des Primas von Goa – so lautet der Titel des obersten katholischen Würdenträgers dort, und Goa ist die Hauptstadt von Portugiesisch-Indien. Ihr wißt selbstverständlich, daß die Portugiesen versuchen, sich diesen Erdteil mit Gewalt zu unterwerfen. Als Privatsekretär seines Erzbischofs, der damals gleichzeitig portugiesischer Vizekönig war, gingen alle möglichen Schriftstücke durch seine Hand. Nach vielen Jahren bekam er einige von ihren roteiros in die Finger und kopierte sie. Sie waren der Schlüssel zum Geheimnis nicht nur der Magellanstraße, sondern auch des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung – und der Untiefen und Riffe von Goa über Macao nach Japan. In meinem roteiro war die Magellanstraße beschrieben. Bei seiner Rückkehr nach Holland verkaufte Suyderhof die Aufzeichnungen der Gesellschaft der Ostindien-Kaufleute, welcher das Monopol für die Erforschung des Fernen Ostens erteilt wurde.«
Kalt sah sie ihn an. »Dieser Mann war ein bezahlter Spion?«
»Man hat ihm die Karten bezahlt, gewiß. Das ist so üblich bei ihnen; auf diese Weise belohnt man einen Menschen. Nicht mit einem Titel oder mit Landbesitz, sondern nur mit Geld. Holland ist eine Republik. Es versteht sich, Senhora, daß mein Land und unser Verbündeter, Holland, mit Spanien und Portugal schon seit vielen Jahren im Krieg liegen. Ihr begreift, Senhora, daß es im Krieg von äußerster Wichtigkeit ist, hinter die Geheimnisse des Gegners zu kommen.«
Mariko wandte sich ab und sprach des längeren mit Toranaga.
»Mein Gebieter fragt, wieso dieser Erzbischof einen Feind beschäftigte.«
»Die Geschichte, die Pieter Suyderhof erzählte, war folgende: Sein Erzbischof, der ein Jesuit war, habe sich ausschließlich für den Handel interessiert. Suyderhof verdoppelte ihre Einkünfte, und deshalb genoß er großes Ansehen. Er war als Kaufmann außerordentlich geschickt – darin sind die meisten Holländer den Portugiesen überlegen –, und deshalb hat man seine Beglaubigungsschreiben nicht sehr sorgfältig überprüft. Außerdem sind viele Menschen mit blauen Augen und blondem Haar katholisch.« Blackthorne wartete, bis sie gedolmetscht hatte, dann wählte er seine Worte sehr sorgfältig und fügte hinzu: »Er war der oberste Spion für Holland in Asien, ein Soldat seines Landes. Es gelang ihm, einige von seinen Leuten auf portugiesischen Schiffen unterzubringen. Bitte, sagt Herrn Toranaga, daß Portugiesisch-Indien ohne den Handel mit Japan nicht lange lebensfähig ist.«
Toranaga wandte, während Mariko redete, die Augen nicht von der Karte. Es war keine Reaktion zu erkennen auf das, was sie gesagt hatte, so daß Blackthorne sich fragte, ob sie auch alles gedolmetscht hätte.
Dann: »Mein Gebieter hätte gern eine Weltkarte, auf der alle portugiesischen Befestigungen eingezeichnet sind, und die Zahl der Ronin, die dort Dienst tun. Er sagt, Ihr möget bitte fortfahren.«
Blackthorne wußte, daß er einen gewaltigen Schritt vorwärtsgekommen war. Aber der Knabe gähnte, so daß er beschloß, einen anderen Kurs einzuschlagen. »Unsere Welt ist nicht immer das, was sie scheint. So sind zum Beispiel südlich dieser Linie, die wir den Äquator nennen, die Jahreszeiten umgekehrt. Wenn wir Sommer haben, ist es dort Winter; wenn wir Sommer haben, frieren sie.«
»Wieso das?«
»Ich weiß es nicht, aber es ist so. Nun ja, der Weg nach Japan führt einzig über einen dieser beiden Wasserwege. Wir Engländer versuchen, eine nördliche Route zu finden, entweder in nordöstlicher Richtung über Sibirien, oder in nordwestlicher Richtung über Amerika. Bis hierher bin zum Beispiel ich in den Norden gekommen. Das ganze Land ist von ewigem Eis und Schnee bedeckt; daher ist es die meiste Zeit über so kalt, daß einem binnen kurzem die Finger abfrieren würden. Die Menschen, die hier leben, heißen Lappländer. Ihre Kleidung besteht aus Fellen und Pelzen. Die Männer gehen auf die Jagd, alle andere Arbeit wird von den Frauen verrichtet. Zur Aufgabe der Frauen gehört es, alle Kleider anzufertigen. Um das zu tun, müssen
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