Shogun
und jedem von uns ein Menetekel sein? Erst fünfzehn – nein, siebzehn Jahre ist es her, daß der Taikō vierhunderttausend Mann für den Bau und die Ausschachtungsarbeiten eingesetzt hatte. Er hatte das Land ausgesaugt, um Geld zusammenzubekommen, und dann, binnen zweier kurzer Jahre, war die Burg von Osaka fertig gewesen. Ein unglaublicher Mann! Ein unglaubliches Volk! Jawohl. Und jetzt steht sie da – unzerstörbar! Für alle, bis auf die Hand Gottes. Er könnte sie im Handumdrehen zertrümmern, wenn Er nur wollte. O Gott, hilf mir, Deinen Willen zu tun!
»Nun, Martin, es sieht ganz danach aus, als käme Arbeit auf uns zu.« Dell'Aqua fing an, auf und ab zu gehen; seine Stimme war jetzt genauso fest wie seine Schritte. »Zunächst zu dem englischen Piloten: Wenn wir ihn nicht beschützen, wird er umgebracht werden, und damit verscherzen wir uns Toranagas Wohlwollen. Wenn es uns gelingt, ihn zu beschützen, wird er sich über kurz oder lang selbst ans Messer liefern. Aber können wir es wagen zu warten? Sein Vorhandensein stellt für uns eine Bedrohung dar, und es ist nicht abzusehen, was für Schaden er uns noch zufügen kann. Oder wir könnten Toranaga helfen, ihn zu beseitigen. Oder … wir könnten versuchen, ihn zu bekehren.«
Alvito rieb sich die Augen. »Wie bitte?«
»Er ist intelligent und besitzt ein großes Wissen über den Katholizismus. Sind die meisten Engländer im Grunde ihres Herzens nicht katholisch? Sie nehmen es mit der Religion nicht so genau. Im Augenblick stehen sie uns mit fanatischer Feindseligkeit gegenüber, aber ist das nicht nur wegen der Armada?
Was Toranaga betrifft: Wir werden ihm die Karten geben, die er haben will. Ihm erklären, was es mit den ›Einfluß-Sphären‹ auf sich hat. Wurden die Demarkationslinien nicht letzten Endes zu diesem Zweck geschaffen, um den Einfluß der Portugiesen und Spanier, die im Grunde ja Freunde sind, nicht kollidieren zu lassen? Si, é vero . Sagt ihm, was die andren wichtigen Dinge betreffe, so würde ich es mir zur Ehre anrechnen, sie für ihn vorzubereiten, nur was die Fakten betrifft, so müsse ich in Macao nachfragen. Und im selben Atemzug sagt ihm, es sei Euch eine besondere Freude, ihm mitteilen zu können, daß das Schwarze Schiff drei Wochen früher absegelte, und zwar mit der größten Ladung von Gold und Seide, die jemals herübergeschafft worden sei, und daß unser gesamter Anteil an der Ladung … daß mindestens dreißig Prozent der gesamten Ladung durch persönlich für ihn bestellte Makler verkauft werden würden.«
»Euer Eminenz, der Generalkapitän würde es gar nicht gern sehen, früher absegeln zu müssen, und er …«
»Wir werden es uns zu unserer persönlichen Aufgabe machen, die Hafenpapiere für Ferriera so schnell wie möglich von Toranaga zu bekommen. Sucht ihn sofort noch einmal auf und überbringt ihm meine Antwort. Beeindrucken wir ihn mit unserer Tüchtigkeit – ist das nicht eines von den Dingen, die er bewundert? Wenn Ferriera die Hafenpapiere sofort bekommt, wird er schon in dem weniger wichtigen Punkt, etwas früher anzukommen, nachgeben. Und was den Makler betrifft, was soll es dem Generalkapitän schon ausmachen, ob dieser oder jener Eingeborene das besorgt? Er bekommt seinen Provisionsanteil ohnehin.«
»Sonst aber haben Onoshi und Kiyama den Makleranteil zwischen sich geteilt. Ich weiß nicht, ob sie einverstanden sein werden.«
»Dann löst dieses Problem. Für ein Zugeständnis wird Toranaga sich mit einem späteren Termin einverstanden erklären. Die einzigen Zugeständnisse, die er braucht, sind Macht, Einfluß und Geld. Was können wir ihm geben? Schließlich können wir ihm nicht die christlichen Daimyos zuführen. Wir …«
»Trotzdem«, sagte Alvito.
»Selbst wenn wir es könnten, ich weiß nicht, ob wir es tun sollten. Die einzigen Zugeständnisse, die wir Toranaga machen könnten, liegen auf dem Gebiet des Handels. Der Handel interessiert ihn sehr. Deshalb könnte ein Zugeständnis diesbezüglich ihn in Versuchung führen, uns eine Fristverlängerung zu gewähren – die sich vielleicht in eine dauernde umwandeln läßt. Ihr wißt doch, wieviel Sinn die Japaner für diese Art einer Lösung haben – den Stock drohend erhoben halten, wobei beide Seiten so tun, als ob es ihn nicht gäbe, eh?«
»Meiner Meinung nach ist es im Augenblick politisch alles andere als ratsam, daß Onoshi und Kiyama sich gegen Toranaga stellen. Ich könnte ihnen vorschlagen, Toranaga fünfundzwanzig
Weitere Kostenlose Bücher