Shogun
Stiefel. Er zog sie aus, ging dann barfuß auf die Veranda und betrat den ersten Raum. Von dort ging er den Gang entlang, konnte jedoch sein Zimmer nicht finden.
»Onna!« rief er laut.
Eine alte Frau erschien. »Hai?«
»Wo ist Onna?«
Die alte Frau runzelte die Stirn, zeigte auf sich und sagte: »Onna!«
»Ach, um der Liebe Gottes willen«, sagte Blackthorne gereizt. »Wo ist mein Zimmer? Und wo ist Onna?« Er schob eine weitere Holzrahmentür auf. Vier Japaner saßen auf dem Boden um einen niedrigen Tisch herum und aßen. In einem von ihnen erkannte er den grauhaarigen Alten, den Dorfschulzen, den er in Begleitung des Priesters gesehen hatte. »Verzeihung!« sagte er und schob die Tür wieder zu.
»Onna!« rief er nochmals.
Die alte Frau dachte einen Augenblick nach, dann winkte sie ihm, ihr zu folgen. In einem anderen Gang schob sie eine Tür beiseite, und am Kruzifix erkannte er seinen Raum wieder. Die weichen Schlafdecken waren bereits adrett entrollt worden.
»Vielen Dank«, sagte er. »Und jetzt hole Onna!«
Die Alte watschelte davon. Er setzte sich. Kopf und Körper schmerzten, und er wünschte, er hätte einen Stuhl, und überlegte, wo sie die Stühle wohl aufbewahrten. Wie an Bord kommen? Wie an ein paar Büchsen herankommen? Es muß eine Möglichkeit geben. Er hörte Schritte, und dann standen drei Frauen da: die Alte, eine junge mit einem runden Gesicht und die Frau mittleren Alters. Die Alte wies auf das junge Mädchen, das sich ein wenig zu fürchten schien. »Onna.«
»Nein.« Mißgelaunt erhob Blackthorne sich, stieß mit dem Finger vor und wies auf die nicht mehr ganz junge Frau.
»Das hier ist Onna, um Gottes willen! Kennt ihr ihren Namen denn nicht? Onna! Ich habe Hunger. Könnte ich etwas zu essen bekommen?« Er rieb sich den Bauch, übertrieb dabei und meinte, dadurch zu verstehen zu geben, daß er Hunger habe. Die drei sahen einander an. Dann zuckte die nicht mehr ganz junge Frau die Achseln, sagte etwas, was die anderen lachen machte, trat hinüber ans Bett und fing an, sich auszuziehen. Erwartungsvoll und mit großen Augen hockten die anderen sich nieder.
Blackthorne erschrak. »Was tust du da?«
» Shimasho !« sagte sie, legte ihren breiten Gürtel beiseite und öffnete ihren Kimono. Ihre Brüste waren flach und verschrumpelt, ihr Bauch gewaltig.
Es war klar, daß sie in sein Bett steigen wollte. Er schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, sie solle sich anziehen. Alle schnatterten und gestikulierten durcheinander. Sie stieg aus ihrem langen Unterhemd und versuchte nackt, wieder ins Bett zu steigen.
Ihr Geschnatter hörte augenblicklich auf, und sie alle verneigten sich, als der Dorfschulze still den Gang herunterkam. » Nanda ? Nanda ?« fragte er.
Die alte Frau erklärte, was los sei. »Ihr wollt diese Frau?« fragte er ungläubig in unbeholfenem Portugiesisch und wies auf die nackte Frau.
»Nein. Nein. Ich wollte bloß, daß Onna mir etwas zu essen holt.« Ungeduldig wies Blackthorne auf sie. »Onna!«
» Onna heißt ›Frau‹.« Der Japaner wies auf sie alle: »Onna – Onna – Onna. Ihr wollt Onna?«
Müde schüttelte Blackthorne den Kopf. »Nein. Nein. Vielen Dank. Ich habe einen Fehler gemacht. Tut mir leid. Wie heißt sie?«
»Bitte?«
»Wie sie heißt.«
»Ah! Name ist Haku. Haku«, sagte er.
»Haku?«
»Hai, Haku.«
»Tut mir leid. Verzeihung, Haku-san. Ich hatte gedacht, du heißt Onna.«
Der Mann erklärte Haku das, und sie erschien alles andere als erfreut. Aber Mura sagte etwas, und sie alle blickten auf Blackthorne und kicherten hinter vorgehaltenen Händen und gingen.
»Ich danke Euch«, sagte Blackthorne, wütend über seine eigene Begriffsstutzigkeit.
»Dies ist mein Haus. Mein Name Mura.«
»Mura-san. Mein Name ist Blackthorne.«
»Wie bitte?«
»Mein Name ist Blackthorne.«
»Ah! Brr-rakk-fon.« Mura versuchte mehrmals, den Namen auszusprechen, doch es gelang ihm nicht. Schließlich gab er es auf und fuhr fort, den Koloß vor ihm zu studieren. Dies war der erste Barbar, den er je gesehen, außer Pater Sebastio und dem anderen Priester, aber das war schon so viele Jahre her. Trotzdem, dachte er, die Priester haben dunkle Haare und dunkle Augen und sind von normaler Größe. Dieser Mann jedoch, er ist groß, hat goldenes Haar und einen goldenen Bart und blaue Augen – und seine Haut ist dort, wo sie bedeckt ist, von unheimlicher Blässe. Erstaunlich! Ich hatte gedacht, alle Menschen hätten schwarzes Haar und schwarze Augen. Wir haben
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