Shogun
haltet.«
In der Ferne ertönte ein Signalhorn. Abermals schauten sie zum Fenster hinaus. Aller Augen waren nach Westen gerichtet. Die Spitze eines Samurai-Zugs mit einer verhangenen Sänfte näherte sich von der Burg her.
Die Tür zur Kammer ging auf. »Anjin-san, kommt jetzt, bitte«, sagte der Samurai.
Blackthorne ging voraus, sie stiegen an Deck und dann hinunter auf den Pier. Kalt, aber höflich, nickte er Alvito zu. Der Priester gab sich nicht minder eisig. Mariko gegenüber war Alvito jedoch freundlich. »Hallo, Mariko-san. Wie schön, Euch zu sehen.«
»Vielen Dank, Pater«, sagte sie und verneigte sich tief.
Alvito blickte zu Blackthorne hinüber. »Nun, Pilot, was macht Euer Schiff?«
»Ich bin sicher, das wißt Ihr bereits.«
»Jawohl, ich weiß es.« Alvito ließ seinen Blick über die Erasmus schweifen. »Möge Gott sie und alle verfluchen, die auf ihr segeln, wenn sie gegen unseren Glauben und gegen Portugal eingesetzt wird.«
»Ist das der Grund, weshalb Ihr hergekommen seid? Um noch mehr Gift zu verspritzen?«
»Nein, Pilot«, sagte Alvito. »Ich wurde gebeten, Herrn Toranaga zu treffen. Mir ist Eure Anwesenheit genauso widerwärtig wie Euch die meine.«
»Eure Gegenwart ist mir nicht widerwärtig, Pater. Widerwärtig ist mir nur, was Ihr repräsentiert.«
Alvito schoß die Röte ins Gesicht, und Mariko sagte rasch: »Bitte! Es ist schlimm, sich derart in der Öffentlichkeit zu streiten!«
»Ja. Bitte, verzeiht, Mariko-san.« Pater Alvito wandte sich ab und blickte zu der verhangenen Sänfte hinüber, die gerade durch die Absperrung kam. Toranagas Wimpel flatterte, und uniformierte Samurai davor und dahinter umgaben eine Gruppe von anderen Samurai.
Die Sänfte blieb stehen. Die Vorhänge gingen auseinander. Yabu stieg aus. Alle waren erschrocken. Dennoch verneigten sie sich. Hochmütig erwiderte Yabu die Begrüßung.
»Ah, Anjin-san«, sagte Yabu. »Wie geht es Euch?«
»Gut, danke, Euer Gnaden. Und Euch?«
»Gut, danke. Herr Toranaga ist unpäßlich. Er bat mich, an seiner Stelle herzukommen. Ihr versteht?«
»Ja. Verstehe«, erwiderte Blackthorne und versuchte, sich seine Enttäuschung darüber nicht anmerken zu lassen, daß Toranaga nicht selbst gekommen war. »Tut mir so leid, daß es Herrn Toranaga nicht gutgeht.«
Yabu zuckte die Achseln, begrüßte ehrerbietig Mariko, tat so, als wäre Alvito Luft für ihn, und ließ das Auge für einen Moment auf dem Schiff ruhen. Mit einem verzerrten Lächeln wandte er sich dann wieder Blackthorne zu. » So desu, Anjin-san. Heute sieht Euer Schiff anders aus als letztes Mal, da ich es gesehen habe, neh? Jawohl, das Schiff ist anders, Ihr seid anders, alles ist anders … selbst unsere Welt hat sich verändert, neh?«
Blackthorne nickte und sagte langsam: »Ja, sehr anders, Yabu-sama.«
»Jawohl, sehr anders … Ihr seid jetzt kein Barbar mehr, sondern ein Samurai, und genauso ist es mit Eurem Schiff, neh?«
Blackthorne sah das Lächeln seine dicken Lippen umspielen, seine kampfeslustige Haltung, und plötzlich war er wieder in Anjiro, lag er am Strand auf den Knien, steckte Croocq im Kessel, hallten Pieterzoons Schreie in seinen Ohren wider, hatte er den Gestank der Grube in der Nase, und in seinem Geiste schrie er: Wie unnötig all das ist … all die Leiden und das Entsetzen!
»Ist Euch nicht wohl, Anjin-san?« fragte Mariko besorgt, als sie den merkwürdigen Ausdruck in seinen Augen sah.
»Was? Ach … ach nein. Nein. Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Was hat er denn?« fragte Yabu.
Blackthorne schüttelte den Kopf und versuchte, wieder Klarheit in seine Gedanken zu bringen und den Haß abzuschütteln, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete.
»Tut mir leid. Bitte, verzeiht mir … ich … ich, es ist nichts. Kopf schlecht … nicht geschlafen. So leid.« Er starrte Yabu in die Augen und hoffte, seine gefährliche Schwäche überwunden zu haben. »Tut mir leid, daß Toranaga-sama krank … hoffe, keine Ungelegenheiten, Yabu-sama.«
»Nein, keine Ungelegenheiten.« Doch dabei dachte Yabu: Jawohl, Ihr macht nichts als Schwierigkeiten, und ich habe nichts als Ungelegenheiten gehabt, seit Ihr und Euer dreckiges Schiff an meinem Gestade gelandet seid. Izu verloren, meine Waffen verloren, meine Ehre verloren und jetzt auch noch meinen Kopf verwirkt, bloß weil ein gewisser Jemand feige ist. »Keine Ungelegenheiten, Anjin-san«, sagte er betont freundlich. »Toranaga-sama bat mich, Euch Eure Vasallen zu übergeben, wie es
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