Shogun
Euch den Anjin-san vorstellen?«
Kiyama erwiderte Blackthornes förmliche Verneigung höflich. »Es heißt, Ihr behauptet, Christ zu sein?«
»Wie bitte?«
Kiyama ließ sich nicht herab, seine Feststellung zu wiederholen, und daher dolmetschte Mariko sie.
»Ah, tut mir leid, Herr Kiyama«, sagte Blackthorne auf japanisch. »Ja, ich bin Christ … allerdings andere Sekte.«
»Eure Sekte ist in meinem Herrschaftsbereich nicht willkommen. Und auch in Nagasaki nicht … ja, in ganz Kyushu nicht, nehme ich an … in keinem Land irgendeines christlichen Daimyo.«
Mariko ließ nicht zu, daß ihr Lächeln erstarb. Sie überlegte, ob Kiyama wohl persönlich den Mordanschlag der Amida und auch den Überfall gestern abend befohlen hatte.
»Ich bin kein Priester, Euer Gnaden«, wandte Blackthorne sich unmittelbar an Kiyama. »Wenn in Eurem Land … nur Handel. Keine Priesterlehren. Bitte ehrerbietig, nur Handel treiben.«
»Ich will Euren Handel nicht. Ich will Euch nicht in meinen Landen. Euch ist das Betreten meines Herrschaftsbereichs bei Todesstrafe verboten. Habt Ihr verstanden?«
»Jawohl, ich verstehe«, sagte Blackthorne. »Tut mir leid.«
»Gut.« Damit wandte Kiyama sich hochmütig an Ishido. »Wir sollten dieser Sekte und diesen Barbaren das gesamte Reich verbieten. Diesen Antrag werde ich bei der nächsten Ratssitzung stellen. Ich muß offen sagen, daß Herr Toranaga schlecht beraten war, einen Fremden, insbesondere diesen Mann, zum Samurai zu machen. Das ist ein höchst gefährlicher Präzedenzfall.«
»Das ist doch gewiß unwichtig! Alle Fehler, die der gegenwärtige Herr des Kwanto macht, werden sehr bald berichtigt werden, neh?«
»Jeder begeht Fehler, Herr General«, sagte Kiyama spitz. »Nur Gott sieht alles und ist vollkommen. Der einzige echte Fehler, den Herr Toranaga jemals gemacht hat, besteht darin, seine eigenen Interessen vor die des Erben gestellt zu haben.«
»Ja«, sagte Ishido.
»Bitte, verzeiht«, sagte Mariko. »Aber das stimmt nicht. Ihr irrt Euch beide, was meinen Gebieter betrifft.«
Kiyama wandte sich ihr zu. Mit aller Höflichkeit. »Es ist vollkommen in der Ordnung, daß Ihr diese Haltung einnehmt, Mariko-san. Aber, bitte, wollen wir darüber heute abend doch nicht streiten. Also, Herr General, wo weilt Herr Toranaga jetzt? Wie lauten Eure letzten Nachrichten?«
»Nach der gestrigen Brieftaube soll er in Mishima sein. Ich bekomme jetzt täglich Bericht. In zwei Tagen wird er seine eigenen Grenzen verlassen, und Herr Ikawa Jikkyu ist bereit, ihn dann zu empfangen, wie es seiner Stellung gebührt.«
»Gut.« Kiyama lächelte Ochiba an. Er mochte sie sehr gern. »Würdet Ihr den Erben wohl bitten, den Regenten zu gestatten, ihm an diesem Tag aus gegebenem Anlaß zu huldigen?«
»Es wird dem Erben eine Ehre sein, Euer Gnaden«, erwiderte sie unter Beifallsklatschen. »Und vielleicht seid Ihr und alle Anwesenden hinterher Gäste bei einem Dichterwettstreit? Vielleicht könnten die Regenten die Preisrichter spielen?«
Noch mehr Beifall erhob sich.
»Vielen Dank, aber, bitte, vielleicht könnten Prinz Ogaki und einige der Damen das Preisgericht bilden?«
»Sehr wohl, wenn Ihr wünscht?«
»Nun, Dame, wie soll das Thema lauten? Und die erste Verszeile?« fragte Kiyama höchst angenehm berührt, denn er war nicht nur seiner Fechtkunst und Unerschrockenheit im Kriege wegen berühmt, sondern auch seiner Gedichte wegen.
»Bitte, Mariko-san, könntet Ihr Herrn Kiyama antworten?« sagte Ochiba, und wieder bewunderten viele ihre Geschicklichkeit; denn sie war als Dichterin unbedeutend, wohingegen Mariko als solche glänzte.
Mariko überlegte einen Augenblick, dann sagte sie: »Es sollte sich auf den heutigen Tag beziehen, Dame Ochiba, und der erste Vers lautet: Auf entlaubtem Zweig …«
Ochiba und die Umstehenden beglückwünschten sie zu ihrer Wahl. Kiyama war jetzt die Freundlichkeit selbst und sagte: »Ausgezeichnet, aber wir müssen schon sehr gut sein, um es mit Euch aufzunehmen, Mariko-san.«
»Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, Euer Gnaden, aber ich werde nicht am Wettstreit teilnehmen.«
»Selbstverständlich werdet Ihr das!« Kiyama lachte. »Ihr seid eine der glänzendsten Dichterinnen im ganzen Reich! Ohne Euch brächte es keinen Spaß.«
»Tut mir leid, Euer Gnaden, und verzeiht, aber ich werde nicht hier sein.«
»Ich verstehe nicht.«
Ochiba sagte: »Was meint Ihr damit, Mariko-chan?«
»Ach, verzeiht, Dame«, sagte Mariko, »aber ich verlasse Osaka morgen …
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