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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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werden.
    Und die Tür ging auf.
    Eine Blaugewandete kam herein und trug ein kleines Tablett mit Essen und Getränken; die Tür schloß sich ohne ihr Zutun, und sie brachte Duncan das Tablett, kniete nieder, um es vor ihm abzusetzen, wobei die Tassen laut klapperten. Sie trug keinen Schleier, auch nicht auf ihrer Mähne; sie war etwa so alt wie er, und nach dem, was er im Lampenlicht von ihrem gesenkten Gesicht sehen konnte, war sie entzückend.
    Durch ein Blinzeln verschüttete Tränen rollten an ihren Wangen herab.
    »Hat man dich gezwungen zu kommen?« fragte er.
    »Nein, Kel'en.« Sie hob das Gesicht, und so freundlich es auch war, zeigte es doch hartnäckigen Stolz. »Ich bin an der Reihe und habe es nicht abgelehnt.«
    Er dachte daran, sich mit ihr zu beschäftigen, und die Kälte blieb in ihm. »Es wäre bitter. Würde es das Kath kränken, wenn wir nur hier sitzen und uns unterhalten?«
    Goldene Augen musterten durch schimmernde Tränen sein Gesicht. Die Membran blinzelte und klärte sie.
    »Wäre es eine Kränkung?« fragte er wieder.
    Stolz. Mri-Ehre. Er sah den Widerstreit in ihren Augen, die ebenso Kränkung argwöhnten wie Freundlichkeit. Er hatte diesen Argwohn oft genug in Niuns Augen gesehen.
    »Nein«, beruhigte sie und glättete ihre Kleider, und einen Moment später legte sie den Kopf schräg und straffte das Kinn. »Trotzdem wird mein Sohn dich Vater nennen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Sie sah ebenso verwirrt aus wie er. »Ich meine – ich werde nicht bekanntmachen, was du wünschst. Der Name meines Sohnes ist Ka'aros, und er ist fünf Jahre alt. Es ist eine Höflichkeit, verstehst du nicht?«
    »Sind wir – für immer zusammen?«
    Sich selbst zum Trotz lachte sie laut auf, und ihr Lachen war freundlich und die Berührung ihrer Hand auf seiner angenehm. »Kel'en, Kel'en... nein. Mein Sohn hat dreiundzwanzig Väter.« Ihr Gesicht wurde wieder sachlich und doch sehnsüchtig. »Ich werde es dir zumindest gemütlich machen. Willst du schlafen, Kel'en?«
    Er nickte nach Mri-Art, war verblüfft und müde und fand dieses Angebot als am wenigsten mühselig. Ihre freundlichen Finger nahmen ihm sanft das Zaidhe ab, und sie starrte erschrocken auf seine Haare – obwohl er sie nach Mri-Art schulterlang hatte wachsen lassen, war es doch nicht die struppige, bronzene Mähne ihrer Rasse. Sie faßte das Haar an, ungehindert durch den Formalismus der Kel-Kaste, zupfte an einer Locke, entdeckte die Form seiner Ohren und staunte darüber.
    Und von dem zugedeckten Holzteller auf dem Tablett nahm sie ein wohlriechendes, feuchtes Tuch und reinigte damit äußerst sorgfältig sein Gesicht und seine Hände – es war eine Linderung für Sand- und Sonnenbrände; und als sie darauf beharrte, lockerte er seine Gewänder und legte sich nieder, benutzte ihre Knie als Kopfkissen. Sie breitete seine Gewänder über ihm aus und liebkoste sanft seine Stirn, so daß er sich als er Welt entrückt vorkam und es ihm leichtfiel, sich zu entspannen.
    Er wollte es jedoch nicht: Verrat und Mord kamen ihm in den Sinn – er mühte sich, wachzubleiben, sein Mißtrauen nicht zu zeigen, und trotzdem nicht das Bewußtsein dessen zu verlieren, was geschah.
    Er entschwebte jedoch für einen Moment und erwachte sicher wieder in ihren Armen. Er liebkoste ihren wiegenden Arm, langsam und schläfrig, bis er ihr in die goldenen Augen sah und sich an sein Versprechen erinnerte, sie nicht anzurühren.
    Er nahm die Hand weg.
    Sie beugte sich herab und berührte mit den Lippen seine Stirn. Das bestürzte ihn.
    »Wenn ich in einer anderen Nacht wiederkäme«, sagte er, denn die Zeit war kurz, und es schien plötzlich tausend Dinge zu geben, die er vom Kath wissen wollte – von dieser Kath'en, die so gütig zu einem Tsi'mri war, »wenn ich wiederkäme, könnte ich nach dir fragen?«
    »Jeder Kel'en darf fragen.«
    »Darf ich fragen?«
    Da begriff sie und sah verlegen aus und bekümmert – und auch er begriff und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Ich werde nicht fragen«, sagte er.
    »Es wäre schamlos von mir zu sagen, daß du könntest.«
    Da war er völlig verwirrt, lag da und starrte zu ihr auf.
    Ein weicher, trällernder Ruf erklang irgendwo in der Kath-Halle.
    »Es ist Morgen«, sagte sie und machte Anstalten zu gehen. Sie erhob sich, als er sich aufsetzte, und ging zur Tür.
    »Ich kenne deinen Namen nicht«, sagte er im Aufstehen – eine menschliche Höflichkeit.
    »Kel'en, ich heiße Sa'er.«
    Und sie vollzog eine anmutige Geste des Respekts

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