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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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keine Worte. Duncan ließ die Augen über den Kreis schweifen, begegnete goldenen Augen, die seinen Blick erwiderten und ihm nicht auswichen – Blicke ohne Liebe, ohne Vertrauen, aber auch – dachte er – ohne Haß. Einem nach dem anderen blickte er so in die Augen, ließ sich ausgiebig betrachten; und er hätte fast auch das Zaidhe abgenommen, um ihnen den Rest seiner Fremdartigkeit zu zeigen. Aber dergleichen war entwürdigend und, wenn im Zorn angeboten, auch beleidigend, ein Tadel ihnen gegenüber. Sie konnten es nicht erwarten; es wäre die Tiefe jeder Kränkung gewesen.
    Eine Tasse wurde gereicht, erst Niun und dann Duncan: Wasser der blauen Stengelpflanze in einer Messingtasse Duncan befeuchtete seine Lippen und reichte das Gefäß an Hlil weiter, der nach ihm kam. Hlil zögerte nur einen winzigen Augenblick lang, als ob man von ihm erwartete, nach den Dusei zu trinken; doch dann hob er die Tasse an die Lippen und reichte sie weiter.
    Einer nach dem anderen tranken sie in Frieden, auch die Kel'e'ein, die beiden mit Merai verwandt gewesenen Frauen. Es gab keine Zurückweisung.
    Dann legte Niun sein Langschwert in Duncans Schoß, und in einer merkwürdigen und ausgearbeiteten Zeremonie zogen alle Kel'ein gleichermaßen, und die Av'ein-kel – auch Duncans – wurden von Mann zu Frau durch den ganzen Kreis weitergegeben, bis jeder wieder sein eigenes in der Hand hielt.
    Dann sprach jeder, einer nach dem anderen, seinen Namen voll aus. Einige trugen Namen von beiden Eltern, manche hatten nur den Sochils. Und Duncan nannte mit zu Boden gerichtetem Blick den seinen, Duncan-ohne-eine-Mutter, und fühlte sich seltsam verloren unter diesen Wesen, die wußten, wer sie waren.
    »Das Kel-Ritual«, sagte Niun, nachdem sie damit fertig waren, »ist immer noch dasselbe.«
    Es gefiel ihnen vielleicht zu wissen, daß dem so war; es gab Gesten der Zustimmung.
    »Ihr werdet uns«, sagte Niun, »das Mu'ara der Heimatwelt lehren.«
    »Aye«, sagte Hlil bereitwillig.
    Es herrschte langes Schweigen.
    »Einen Teil des Rituals, wie ich es kenne«, sagte Niun, »höre ich nicht.«
    Hlil biß sich auf die Lippe... ein Mann mit Narben eher denn Seta'al , Hlil s'Sochil, grobgesichtig für einen Mri, die schlank waren und feinknochig. »Unser Kath... unser Kath hat Angst vor diesem...« Hlil hielt kurz vor dem Tsi'mri inne und richtete den Blick voll auf Duncan.
    »Möchtest du«, fragte Niun mit harter Stimme, »eine formelle Erklärung dazu abgeben?«
    »Wir sind beunruhigt«, sagte Hlil und blickte zu Boden.
    »Wir.«
    »Kel'anth«, sagte Hlil leise, »es ist dein Recht, und seines.«
    »Nein«, sagte Duncan ruhig, aber Niun gab vor, es nicht zu hören, sondern sah sich um und wartete.
    »Das Kath wird euch willkommen heißen«, sagte eine der alten Kel'e'ein.
    »Das Kath wird euch willkommen heißen«, wiederholten daraufhin die anderen, und zuletzt Hlil.
    »So«, sagte Niun und erhob sich – wartete auf Duncan, während die anderen sitzenblieben, und Duncan vermied es, ihren Blicken zu begegnen.
    Die Dusei wollten mitkommen, aber Niun verbot es ihnen.
    Und sie beide verließen als einzige die Kel-Halle und gingen die Rampe hinab. Es war spät im letzten Teil der Nacht. Duncan fror, und ihm graute vor der Begegnung, zu der sie gingen: das Kath, die Frauen und Kinder des Hauses, und vielleicht – so hoffte er – nur Zeremonie und Ritual, in dem er ruhig und unbemerkt bleiben konnte.
    Sie stiegen den Kath-Turm hinauf; die Kath'anth empfing sie an der Tür. Schweigend führte sie sie hinein, wo erschöpfte Kinder auf Matten und Teppichen ausgestreckt lagen, ebenso einige der Älteren, männlich und weiblich, die schlaflos durch die Aufregungen der Nacht aus den Schatten heraus auf Niun und Duncan starrten.
    Sie kamen an eine Tür zu einer engen Kammer. »Geh hinein!« sagte die Kath'anth zu Duncan; er tat es und fand den Raum nur mit Teppichen und sonst nichts ausgestattet. Die Tür ging zu; Niun und die Kath'anth hatten ihn hier zurückgelassen, in dieser durch eine Öllampe nur matt erleuchteten Kammer.
    Also ließ er sich in einer Ecke nieder, furchtsam zuerst, und wurde sich schließlich dessen bewußt, daß er fror und schläfrig war, und daß die Kath'ein ihn vielleicht verabscheuten und überhaupt nicht kommen würden. Es war ein bitterer Gedanke, aber immer noch besser als die Schwierigkeiten, die er vorhersah. Er wollte nur alleingelassen werden, vielleicht bis zum Ende der Nacht schlafen und danach nicht befragt

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