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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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sein, wenn der Wahnsinn es nicht ebenfalls ansteckt.«
    Duncan sah dorthin, wo sich das Tier in die Ecke drängte. Um Frieden mit Niun zu haben, erhob er sich und raffte sich dazu auf, zu dem Tier zu gehen. Absonderlicherweise wollte es nichts von ihm wissen, scheute und knurrte. Die dunklen Augen glitzerten ihn an, ersehnten, was sie nicht finden konnten.
    »Vorsichtig.«
    Niun war hinter ihm. Dankbar wich Duncan zurück, spürte die Hand des Mri auf der Schulter. Das Dus blieb in seiner Ecke, und es schien nicht die Zeit zu sein, etwas bei ihm zu probieren.
    »Ich werde es versuchen«, sagte Duncan.
    »Langsam. Laß es jetzt allein. Laß es! Man kann sie nicht zwingen.«
    »Ich begreife nicht, warum es zu mir kommt. Ich habe versucht, es zu entmutigen. Sicherlich versteht es, daß ich es nicht will.«
    Niun zuckte die Achseln. »Ich habe seine Verstörtheit gespürt. Ich kann dir keine Antwort geben. Niemand weiß, warum ein Dus eine Wahl trifft. Ich könnte nicht beide halten, das ist alles. Einen anderen hat es nicht. Und vielleicht spürt es in dir die Natur eines Kel'en.«
    Duncan starrte das Dus an, das jetzt keine Feindseligkeit mehr ausstrahlte, dann wieder Niun, fragte sich, ob dieser wußte, daß seine eigenen Worte das Eingeständnis enthielten, daß er etwas gewonnen hatte.
    * * *
    In dieser Nacht, als sie sich zum Schlafen auf ihren Lagern niederließen, legte Niun seine Waffen ab und verstaute sie in der Tuchrolle, die alle seine Besitztü- mer enthielt, und darin lag, zusammen mit einem merkwürdigen Seilknoten, die schlechtgemachte Dus Figur, ganz als ob er ihr einen Wert beimäße.
    Das gefiel Duncan. Er blickte in die Schatten zu dem lebendigen Modell, das in einiger Entfernung von ihm lag, die Augen im Licht des Sternenschirms glitzernd, den Kopf zwischen den Tatzen, ihn sehnsüchtig anblickend.
    Er pfiff dem Tier sanft etwas zu, eine altertümliche und menschliche Lockung.
    Die Nüstern des Tieres gaben ein zurückhaltendes Schnauben von sich. Die kleinen Augen zogen sich zu einem Ausdruck von schmerzlicher Überlegung zusammen.
    Es blieb jedoch, wo es war.

13
    Melein trug keine goldenen Gewänder mehr, sondern weiße. Sie hatte sich selbst neue angefertigt, hatte sich aus dem Raum neben den Kontrollen ein Heim gemacht, schlicht und angenehm – ein Stuhl für sie, Sitzmatten; und sie hatte angefangen, die Wände mit großen Schlangenlinien in Gold und Schwarz und Blau zu beschreiben, die den ganzen Raum erfüllten, den sie zu ihrer Halle bestimmt hatte, und sich auch draußen den Korridor hinab erstreckten, ein lebhafter und seltsamer Kontrast zu den sonst überall öden Wänden. Aus ihrem Zufluchtsort heraus hatte sie begonnen, das Schiff zu übernehmen und in ihr Heim zu verwandeln.
    Aus ihrem Geist heraus hatte sie das Erscheinungsbild vom verlorenen Edun wiedererzeugt, vom Haus des Volkes. Sie hatte die Inschrift wiederhergestellt; und durch ihr eigenes Können und ihre eigene Arbeit hatte sie dies erreicht, dieses schwierige und heilige Werk.
    Niun erfüllte das, was er sah, mit Ehrfurcht, jedesmal wenn er kam, um ihr Gesellschaft zu leisten, und fand, daß ihr Werk sich immer weiter im Schiff ausbreitete. Er hatte nicht geglaubt, daß es ihr möglich gewesen war, solches Wissen zu erlangen. Bevor sie She'pan geworden war, war sie die jüngste Tochter des Hauses gewesen: Melein Zain-Abrin, Erwählte der She'pan Intel.
    Er hatte völlig die Melein verloren, die er gekannt hatte, seine Wahrschwester, einst seine Kameradin im Kel. Der Vorgang war ein allmählicher gewesen, hatte sich entwickelt wie die Schriften, Schritt für Schritt. Er verbannte die Tatsache aus seinem Bewußtsein, daß sie als Kinder im Kath beisammen gewesen waren, daß sie zum Zeitvertreib in den Hohen Hügeln von Kesrith gespielt hatten, Kel'ein zu sein. Ihr wurden das Alter und die Verehrungswürdigkeit aller She'panei zuteil. Ihre Fähigkeiten verwandelten sie für ihn in eine Fremde. Da er bloß ein Kel'en war, konnte er nicht lesen, was sie schrieb, konnte er nicht die Mysterien durchdringen, von denen sie plötzlich sprach, und er wußte zu seiner Verwirrung, wie groß der Abgrund war, der sich zwischen ihnen eröffnet hatte in den sechs Jahren, seit sie zusammen zum Kel gehört hatten. Die blauen Seta'al waren ebenso in ihr Gesicht geschnitten und gemalt worden wie in seines, die stolzen Zeichen der Krieger; aber ihren Händen war es jetzt verboten, Waffen zu halten, und ihr Verhalten wurde von der stillen

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