Shoppen und fischen
Da waren Henrik, ein Schwede, und seine französische Frau Celia; beide waren Cellisten. Tumi, ein Schmuckdesigner aus Kamerun. Beata, eine hübsche Frau, die in Prag geboren und in Schottland aufgewachsen war und jetzt viel Zeit mit AID S-Projekten in Afrika verbrachte. Uli, ein strammer Deutscher, Banker wie Yossi. Ein älterer Araber, dessen Name so viele seltsame Konsonanten enthielt, dass ich ihn selbst nach der zweiten Wiederholung nicht verstanden hatte. Eine Hand voll Briten, darunter Charlotte und ihr Mann John. Und Simon Gingerhead, der nicht nur schockierend rotes Haar hatte, sondern noch dazu eine Milliarde Sommersprossen. Zu meiner Erleichterung ignorierte er mich zugunsten Beatas, die zufällig ebenfalls rothaarig war (was mich immer zu der interessanten Frage veranlasst, ob Rothaarige anderen Rothaarigen aus narzisstischen Gründen nachstellen oder bloß deshalb, weil Nichtrothaarige kein Interesse an ihnen haben).
Auf jeden Fall war ich hier das fünfte Rad am Wagen. Die einzige Person auf dieser Mini-U N-Versammlung , die nichts zur geopolitischen Konversation beizutragen hatte. Ich hatte keine Ahnung, ob Asien eine Spekulationsblase oder immer noch ein Kaufmarkt war. Ich wusste nicht, ob und wie weit die Terrorismusgefahr und diverse Wahlen die Aktienkurse einbrechen lassen würden, oder ob die Flaute im Segment der Luxusreisen bald zu Ende sein werde. Ich wusste nichts über den Konflikt im Sudan, der hunderttausend Flüchtlinge über die Grenze in den Tschad getrieben hatte. Nichts über den Umrechnungskurs von Pfund und Euro. Nichts über die Chancen Frankreichs bei der nächsten Fußball-WM. Dito, was Rugby anging. Nichts über Sir David Frost (wer auch immer er sein mochte). Auch war mir nicht klar, dass Tony Blairs «schamlose Liebesaffäre mit Amerika» beim Rest der Welt solchen Anstoß erregte.
Ich wartete darauf, dass jemand die königliche Familie zur Sprache brachte – das einzige Thema, über das ich ein oder zwei Dinge wusste. Aber als die Royals endlich erwähnt wurden, ging es nicht um Fergies Jojo-Diät, um die Verschwörungstheorien zu Dianas Tod, um Williams neueste Liebe oder um Charles und Camilla. Stattdessen unterhielten sie sich über die Frage, ob England überhaupt eine Monarchie bleiben solle. Ich wusste nicht mal, dass diese Frage überhaupt zur Debatte stand.
Nachdem alle außer mir mindestens zwei Stunden lang Cocktails getrunken hatten, nahmen wir zu einem marokkanischen Festessen Platz, bei dem unvermindert weitergetrunken wurde. Tatsächlich war dieser unmäßige Alkoholkonsum die einzige Ähnlichkeit zwischen meiner alten Welt und dieser. Aber im Gegensatz zu New York, wo dieLeute immer dümmer wurden, je mehr sie tranken, wurden diese hier noch gescheiter. Nicht mal Rachel und Dex wälzten derart heftige Probleme, wenn sie betrunken waren. Meine Gedanken schweiften ab, und ich fragte mich, was Ethan und Sondrine wohl gerade taten.
Dann, gegen Ende des Dinners, erschien noch ein sehr verspäteter Gast. Ich saß mit dem Rücken zur Tür, als Meg aufblickte und rief: «Hello, Geoffrey-Schatz! Wir kommen wieder mal mit schicker Verspätung, nicht wahr?» Ich hörte, wie Geoffrey sich entschuldigte und erklärte, man habe ihn zu einem Notfall gerufen, einem Kaiserschnitt. Ich drehte mich um und erblickte meinen unverwechselbaren Mr. Moore. Er sah unglaublich gut aus in seinem Tweed-Sportsakko, einem Kaschmir-Rollkragenpullover und einer grauen Hose mit Fischgrätmuster.
Ich sah zu, wie mein Arzt seine Freunde begrüßte; den Männern gab er die Hand, zu den Frauen beugte er sich hinunter und küsste sie auf die Wange. Dann entdeckte er mich. Er warf mir einen komischen Blick zu, und nach kurzem Zögern lächelte er. Er hatte mich erkannt. «Darcy, stimmt’s?»
Charlotte und Meg wechselten einen Blick, als ihnen der Zusammenhang wieder einfiel.
«Ach ja! Ich hab ganz vergessen, dass ihr beide euch kennt», sagte Meg. «Darcy hat uns die phantastische, aufregende Neuigkeit schon erzählt!» Natürlich bezog sie sich auf meinen
einen
Jungen.
Mr. Moore sah mich an, und mich packte das Grauen, als ich begriff, was jetzt passieren würde. Ich wollte ihm zuvorkommen und sagen: «Ja, er hat festgestellt, dass es ein Junge ist», aber bevor ich ein Wort hervorbrachte, platzte Mr. Moore heraus: «Ja. Zwillinge! Fabelhaft, nicht wahr?»
Zum ersten Mal an diesem Abend wurde es still im Zimmer. Alle sahen mich an. Als eine, die sich drei Jahrzehnte lang in der
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