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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Felicia war die einzige Ausnahme, obwohl sie fast so oft unterwegs zu sein schien wie Lee.
    Wir hatten Kip nach seiner Hochzeit alle für ein paarMonate ignoriert, was in einer Kleinstadt nicht gerade leicht ist. Wir reagierten nicht auf seine Telefonanrufe, wir gingen nicht zur Mühle, wir luden ihn nicht zum Essen oder zum Lagerfeuer ein. Wir hielten auf der Hauptstraße nicht an, um uns mit ihm oder Felicia zu unterhalten, und winkten stattdessen nur schroff. Der Winter in Wisconsin ist die ideale Zeit, um jemandem aus dem Weg zu gehen. Unsere Kleidungsstücke werden immer größer und immer dicker, und wir betreten die vereiste Welt nur noch eingehüllt in unsere Wollmützen und Fäustlinge und mit Eskimoboots oder anderen dicken Stiefeln an den Füßen. Wie oft habe ich nach der Hochzeit Kip mit der Hand im Fäustling zugewunken, während ich ihm doch eigentlich unter der gestrickten Wolle nur meinen Mittelfinger zeigte? Falls Felicia oder Kip mich beiseitegezogen und mich gefragt hätten, warum ich ihnen im Postamt nicht guten Tag gesagt hatte, dann hätte ich eine gute Ausrede parat gehabt. Ich hätte es auf meine Wintermütze, meine Ohrenschützer oder eine superansteckende Halsentzündung geschoben.
    Aber Mitte März hatte Felicia dann schließlich genug. Mitten im Supermarkt bekam sie einen Wutanfall, schleuderte eine Riesenpackung Milch auf den Boden und beschimpfte uns alle als zurückgebliebene Hinterwäldler. Ich denke, es ist verständlich, wenn jemand von außerhalb Loyalität mit Ignoranz verwechselt. Warum sollte man auch davon ausgehen, dass wir etwas dagegen hatten, wenn man unseren besten Freund für ein paar Silberlinge verriet? Trotzdem, in diesem Augenblick verstand ich ihre Wut. In unserem Ort sind alle so unglaublich höflich. Manchmal kann ein bisschen Wut unterhaltsam, sogar geradezu belebend sein. Ich war an dem Tag, als sie die Beherrschung verlor, nicht im Laden. Aber in unserem kleinenNetzwerk verbreiteten sich Neuigkeiten sehr schnell. Ehefrauen riefen andere Ehefrauen an, die ihre Männer anriefen, die wiederum mit ihren Freunden telefonierten.
    Wie es aussah, war Felicia in den Laden gehastet, um noch schnell ein paar Einkäufe zu machen, und irgendwo in der Abteilung für Milchprodukte hatte sie dann jemanden gesehen, den sie kannte, der sie auf ihren Gruß hin aber einfach ignoriert hatte. Und das war’s dann.
    »Nach dem, was ich gehört habe«, berichtete Eddy, »hat sie noch eine Weile so getan, als wäre es ihr egal. Aber als sie sich dann umdrehte, um zur Kasse zu gehen, hat sie diese 4-Liter-Packung Milch auf die Erde gedonnert und ist davongerauscht. Dabei hat sie geflucht wie eine ganze Wagenladung Bierkutscher, und das Beste war – das habe ich von Dickie, der an dem Tag an der Kasse saß –, das Beste war, wie sie mit ihren schwarzen Stöckelschuhen mitten durch diese Milchlache gewatet ist, als wäre es eine Wasserpfütze im Frühling oder so was. Er hat gesagt, dass sie vor dem Rausgehen einen richtig großen Honeycrisp-Apfel vom Regal gepflückt hat und dann ohne ihn zu bezahlen aus dem Laden gestürmt ist.«
    Henry ist ein guter Mensch und er ist nicht nachtragend, und so kam es, dass er die beiden eines Abends, nicht lange nach Felicias Wutanfall im Supermarkt, zu uns zum Essen einlud. Sie klopften kleinlaut an unsere Tür, wie immer makellos gekleidet. Ich weiß noch, dass sie beide den gleichen, elegant geknoteten roten Kaschmirschal trugen, während sie dort auf der Türschwelle standen und darauf warteten, eingelassen zu werden. Sie hatten zwei Flaschen Wein in der Hand, die sie nach dem Etikett zu urteilen eindeutig nicht in der ortsansässigen Spirituosenhandlung gekauft hatten.
    Unser Haus war an dem Abend ein einziges Chaos; auch das weiß ich noch. Ich hatte den ganzen Tag in der Küche gestanden, während Henry abgekapselt in seiner Gerätescheune an einem Traktor herumwerkelte, der bald durch unsere Felder rollen und die Erde umpflügen sollte. Wenn der Frühling kommt, wird er immer ganz nervös, das kenne ich schon. Er kann es kaum erwarten, wieder auf den Feldern zu sein, die Dinge endlich anzupacken. Also ließ ich ihn an diesem Nachmittag in Ruhe, während ich das Essen vorbereitete und in unserer engen und überheizten Küche Huhn in Marsalasauce kochte. Ich drängte ihn nicht, ins Haus zu kommen und die ganzen Spielsachen und Zeitschriften und Bonbonpapiere aufzuheben, die den Wohnzimmerboden bedeckten. Als Kip und Felicia kamen, sah es im

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