Shotgun Lovesongs
konnte das einfach nicht. Ich habe es nie geschafft, den Reiz daran zu verstehen, oder die nötige Liebe aufzubringen. Ich habe sie geliebt, das habe ich wirklich. Ich liebe sie immer noch. Aber ich konnte mich einfach nicht als Vater sehen, als diese Art von aufrechtem, anständigem Mann. Ich schaue so jemanden wie Henry an – wie leicht das bei ihm alles aussieht, wie seine Kinder ihn vergöttern, wie Beth ihn vergöttert – wie diese ganze Stadt ihn vergöttert – und danndenke ich, da kann ich nicht mithalten . Ich kann es einfach nicht. Ich weiß, wer ich bin. Und ich bin nicht Henry Brown.
Gestern ist sie gegangen. Sie ist in ein Motel gezogen; in das, das zwischen hier und Eau Claire liegt. Ich sagte ihr, sie solle doch ganz nach Eau Claire gehen, in ein schickes Hotel, ein richtiges Hotel. Oder sogar nach Minneapolis oder St. Paul. Aber am Samstag ist die Hochzeit und sie wollte so viel helfen, wie sie nur konnte, wollte für Lucy und Ronny da sein, Luftschlangen aufhängen und was nicht sonst noch alles. Hochzeitskuchen verteilen. Gäste zu ihren Plätzen weisen. Was weiß ich, hilfreich sein, fürsorglich sein.
»Ich hoffe, dass du deine Meinung ändern kannst«, sagte sie. »Weil ich dich liebe. Aber ich kann nicht länger warten. Wir werden beide nicht jünger.«
»Du solltest gehen«, sagte ich. »Geh, bevor du noch mehr Zeit verlierst. Es tut mir leid.«
Wir waren sieben Jahre zusammen. Sie wollte direkt heiraten, aber ich wollte das nicht. Ich wollte, dass alles perfekt war. Ich wollte das Geld, das Haus, den Job – alles fein säuberlich in der richtigen Reihenfolge. Unser Leben so arrangieren wie einen Strauß Blumen in einer Vase. Schön und kontrolliert. Ihr war das alles nicht wichtig. Sie hat sofort gesagt, sie wolle Kinder haben, aber ich – ich weiß auch nicht –, ich nehme an, ich habe das nie ernst genommen. Ich habe sie nie ernst genommen. In der ersten Zeit, als wir uns gerade erst verliebt hatten und in meinem Apartment im sechzigsten Stock des John-Hancock-Gebäudes im Bett lagen, spürten, wie der Turm in dem Wind schwankte, der stetig vom Lake Michigan her wehte, da sagte sie zu mir: »Ich möchte unbedingt Kinder haben, bevor ich dreißig bin. So viel weiß ich auf jeden Fall. Ichmöchte ein ganzes Haus voller Kinder. Ich will ein wildes, lautes, volles Haus.«
Ich liebte sie, also küsste ich sie auf den Scheitel und hörte ihren Träumen zu. Aber das Leben, das sie da beschrieb, kam mir so vor, als wäre man mitten in einen Bürgerkrieg geraten. Die Unordnung und der Krach und die ganzen Krümel und Windeln und die verschüttete Milch und das Kindergeheul. Wo blieb da unser Leben? Wo blieben die gemeinsamen Reisen? Die schönen Kleider und teuren Hotels, die private Kunstsammlung und der exquisite eigene Weinkeller?
Aber mit Kindern, mit Babys, darf man nicht zu lange warten. Mein Vater sagte immer: Wer zögert, ist schon verloren . Bei Männern ist es egal. Du kannst mit achtzig noch König eines Landes sein, sabbernd auf deinem Thron sitzen, kaum noch in der Lage, die Krone auf dem wackligen Kopf zu halten, und trotzdem kannst du noch mit einer wunderschönen Frau ein Kind zeugen. Aber bei Frauen ist das anders. All dieser Kram mit der biologischen Uhr – das stimmt einfach. Denken Sie mal drüber nach. Einmal im Monat segelt von oben ein Ei herab, wie ein kleiner Fallschirm, und landet in einem Tal von reichhaltigem Blut. Aber du musst wissen, wann das Ei dort ankommen wird, du musst hoffen, dass die Bedingungen perfekt sind, dass das Ei überhaupt heruntergefallen ist, dass da überhaupt Eier sind. Und dass sich der Fallschirm in genau dem richtigen Augenblick geöffnet hat. All das klingt in meinen Ohren sehr nach einem Uhrwerk, wie die Maschinerie eines sehr komplexen und empfindlichen Systems. Und während ich nachts neben Felicia im Bett lag, konnte auch ich dieses Ticktack-Ticktack hören. Und es hat mir eine Riesenangst eingejagt.
So ist das. Und jetzt ist sie weg.
Und ich habe keine Ahnung, was ich nun tun soll. Die Mühle ist endlich fertig. Wir stecken, nein – ich stecke bis über beide Ohren in Schulden. Das Einzige, was uns noch über Wasser gehalten hat, war Felicias Job. Wenn ich also jetzt ordentlich in der Scheiße lande, dann kann ich sie kaum dafür verantwortlich machen. Der einzige Grund, warum sie sich bereiterklärt hat, hierher nach Little Wing zu ziehen, war der, dass sie mich geliebt hat. Und, was noch wichtiger war, dass sie zugeben
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