Shutter Island
die Funkverbindung.«
»Ist doch noch gar nicht so schlimm draußen«, sagte Cawley.
Der Telefonist zuckte mit den Schultern. »Ich versuch’s weiter. Kommt aber gar nicht so drauf an, wie es hier aussieht. Liegt am Wetter auf der anderen Seite.«
»Versuchen Sie’s weiter«, sagte Cawley. »Wenn’s wieder läuft, sagen Sie mir sofort Bescheid. Dieser Mann muss ein ziemlich wichtiges Gespräch führen.«
Der Telefonist nickte, drehte sich um und setzte den Kopfhörer wieder auf.
Die Luft draußen fühlte sich an wie heißer Atem.
»Was passiert, wenn Sie sich nicht melden?«, fragte Cawley.
»Auf der Dienststelle?«, fragte Teddy zurück. »Das wird schriftlich im Tagesprotokoll vermerkt. Wenn sie vierundzwanzig Stunden nichts von mir gehört haben, machen sie sich langsam Sorgen.«
Cawley nickte. »Vielleicht ist es bis dahin vorbei.«
»Vorbei?«, meinte Teddy. »Hat ja noch nicht mal angefangen.«
Cawley zuckte mit den Schultern und steuerte auf das Tor zu. »Heute Abend gibt’s bei mir zu Hause was zu trinken und vielleicht die eine oder andere Zigarre. Neun Uhr, wenn Sie und Ihr Kollege Lust haben, vorbeizukommen.«
»Oh«, sagte Teddy. »Können wir uns dann mit Ihnen unterhalten?«
Cawley blieb stehen und sah sich um. Die dunklen Bäume jenseits der Mauer wiegten sich flüsternd.
»Wir haben uns bereits unterhalten, Marshal.«
Chuck und Teddy liefen über das dunkle Gelände. In der Luft schwoll der Sturm an, als sei die Welt schwanger, aufgebläht.
»So ein Schwachsinn!«, sagte Teddy.
»Allerdings.«
»Verkommen von vorne bis hinten.«
»Wenn ich Baptist wäre, würde ich jetzt sagen: ›Amen, Bruder.‹«
»Bruder?«
»So reden die da unten. Ich war ein Jahr in Mississippi.«
»Wirklich?«
»Amen, Bruder.«
Teddy schnorrte noch eine Zigarette von Chuck und zündete sie an.
»Hast du auf der Dienststelle angerufen?«, fragte Chuck.
Teddy schüttelte den Kopf. »Cawley hat gesagt, die Zentrale bekommt keine Amtsleitung mehr.« Er wies nach oben. »Wegen des Sturms.«
Chuck spuckte einen Tabakkrümel aus. »Der Sturm? Wo denn?«
»Man merkt doch, dass was in der Luft liegt«, sagte Teddy. Er schaute in den dunklen Himmel. »Auch wenn’s noch nicht dafür reicht, die Kommandozentrale auszuschalten.«
»Kommandozentrale?«, sagte Chuck. »Bist du nun raus aus der Armee oder wartest du immer noch auf deine Entlassungspapiere?«
»Dann eben Telefonzentrale«, sagte Teddy und wedelte mit der Zigarette. »Ist doch egal, wie das hier heißt. Und der Funk ist auch hin.«
»Der Funk ist hin?«, Chuck riss die Augen auf. »Der Funk , Chef?«
Teddy nickte. »Ganz schön trübe Aussichten, ja. Wir sitzen auf einer Insel fest und suchen eine Frau, die aus einem verschlossenen Raum geflohen ist …«
»Vorbei an vier Wachposten.«
»Durch einen Raum mit Poker spielenden Aufsehern.«
»Über eine drei Meter hohe Backsteinmauer.«
»Mit elektrischem Draht.«
»Elf Meilen durchs Meer.«
»Gegen eine zornige Strömung.«
»Zornig. Gefällt mir. Und kalt war das Wasser. Wie viel Grad hat es, dreizehn?«
»Höchstens fünfzehn. Aber nachts …«
»Höchstens dreizehn.« Chuck nickte. »Teddy, weißt du was? Das hier ist alles …«
»Dazu der verschwundene Dr. Sheehan.«
»Das kam dir auch seltsam vor, oder? Konnte dich nicht genau einschätzen. Ich fand, du hast Cawley den Arsch nicht weit genug aufgerissen, Chef.«
Teddy lachte, und das Geräusch wurde von der Nachtluft fortgetragen und von der fernen Brandung verschluckt, als wäre es nie da gewesen, als nähmen die Insel, das Meer und das Salz einem alles, was man zu besitzen meinte …
»… und wenn wir ein Ablenkungsmanöver sind?«, fragte Chuck.
»Was?«
»Was ist, wenn wir ein Ablenkungsmanöver sind?«, wiederholte Chuck. »Wenn sie uns nur als Tüpfelchen auf dem i geholt haben?«
»Drücken Sie sich deutlicher aus, Watson.«
Chuck grinste. »Also gut, Chef, aber aufpassen.«
»Mach ich.«
»Sagen wir mal, ein gewisser Arzt verliebt sich in eine gewisse Patientin.«
»Miss Solando.«
»Du hast das Foto gesehen.«
»Sie sieht gut aus.«
»Sieht gut aus! Teddy, die Frau ist ein Knaller! Also bearbeitet sie unseren Jungen, diesen Sheehan … Verstehst du jetzt, was ich meine?«
Teddy schnippte die Zigarette in den Wind und sah zu, wie die Funken sprühten, im Wind aufglühten und fortflogen. »Sheehan beißt an und glaubt bald, dass er ohne sie nicht mehr leben kann.«
»Wobei ›leben‹ das entscheidende
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