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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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auch das passen. Insofern hatte ich die ganze Theorie!
    In der Nacht berechnete ich alles mögliche mit dieser Theorie. Das erste, was ich berechnete, waren die Zerfallsraten des Myons und des Neutrons. Wenn diese Theorie zutraf, mußten sie in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen, und das war bis auf eine Ungenauigkeit von 9 Prozent auch tatsächlich der Fall. Eine Ungenauigkeit von 9 Prozent, das kam dem erwarteten Ergebnis ziemlich nahe. Es hätte perfekter sein sollen, aber es war nahe genug.
    Ich machte weiter und überprüfte ein paar andere Dinge, die paßten, es ergaben sich immer neue Übereinstimmungen, und ich war sehr aufgeregt. Es war das erste und einzige Mal in meiner Laufbahn, daß ich um ein Naturgesetz wußte, das sonst niemand kannte. (Natürlich stimmte das nicht, aber daß ich später herausfand, daß zumindest Murray Gell-Mann - und auch Sudarshan und Marshak - die gleiche Theorie entwickelt hatten, hat mir nicht den Spaß verdorben.) Was ich bis dahin gemacht hatte, war, die Theorie von jemand anderem zu nehmen und die Rechenmethode zu verbessern oder eine Gleichung, wie zum Beispiel die Schrödinger-Gleichung, zu verwenden, um ein Phänomen wie das Helium zu erklären. Wir kennen die Gleichung und wir kennen das Phänomen, aber wie funktioniert es?
    Ich dachte an Dirac und seine Gleichung - eine neue Gleichung, aus der sich das Verhalten des Elektrons ergab -, und jetzt hatte ich diese neue Gleichung für den Beta-Zerfall gefunden, die nicht so wichtig wie die Diracsche Gleichung, a>er doch recht gut war. Es war das einzige Mal, daß ich ein neues Gesetz entdeckte.
    Ich rief meine Schwester in New York an, um ihr dafür zu danken, daß sie mich während der Konferenz in Rochester dazu gebracht hatte, mich hinzusetzen und das Papier von Lee und Yang durchzuarbeiten. Ich hatte mich unbehaglich und im Rückstand gefühlt, und jetzt war ich drin; ich hatte eine Entdeckung gemacht, einfach durch das, was sie mir geraten hatte. Ich konnte sozusagen wieder in die Physik einsteigen, und dafür wollte ich ihr danken. Ich erzählte ihr, daß alles zusammenstimme, bis auf die 9 Prozent.
    Ich war sehr aufgeregt und rechnete weiter, und die passenden Ergebnisse purzelten nur so heraus: sie ergaben sich wie von selbst, ohne Mühe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die 9 Prozent schon vergessen, denn alles andere, was herauskam, stimmte.
    Ich arbeitete mit aller Kraft weiter, bis in die Nacht hinein, an einem kleinen Tisch in der Küche, in der Nähe eines Fensters. Es wurde später und später - 2 oder 3 Uhr morgens. Ich arbeite angestrengt, packe das, was paßt, in diese ganzen Berechnungen hinein, und ich überlege und konzentriere mich, und es ist dunkel und still... als es plötzlich, TACK-TACK-TACK-TACK, laut ans Fenster klopft. Ich gucke und sehe dicht am Fenster, nur ein paar Zentimeter entfernt, dieses bleiche Gesicht , und vor Schreck und Überraschung schreie ich auf!
    Es war eine Bekannte, die mir böse war, weil ich aus dem Urlaub zurückgekommen war und sie nicht gleich angerufen hatte, um ihr zu sagen, daß ich wieder da sei. Ich ließ sie ein und versuchte zu erklären, daß ich gerade sehr beschäftigt sei, daß ich gerade etwas entdeckt hätte und daß es sehr wichtig sei. Ich sagte: »Es ist besser, wenn du gehst, damit ich das zu Ende bringen kann.«
    Sie sagte: »Nein, ich will dich nicht stören. Ich setze mich einfach hier ins Wohnzimmer.«
    Ich sagte: »Na, von mir aus, aber es ist sehr schwierig.«
    Daß sie sich ins Wohnzimmer setzte , kann man nicht gerade sagen. Sie hockte sich irgendwie in eine Ecke und legte ihre Hände ineinander, weil sie mich ja nicht »stören« wollte. Natürlich bezweckte sie nichts anderes, als mich ganz fürchterlich zu stören! Und das gelang ihr auch - ich schaffte es nicht, sie nicht zu beachten. Ich wurde sehr ärgerlich und ungehalten und konnte es nicht ertragen. Ich mußte diese Berechnungen durchführen; ich war dabei, eine große Entdeckung zu machen, und ich war entsetzlich aufgekratzt, und irgendwie war das wichtiger für mich als sie - jedenfalls in dem Moment. Ich weiß nicht mehr, wie ich sie schließlich loswurde, aber es war sehr schwierig.
    Nachdem ich noch etwas gearbeitet hatte, war es sehr spät in der Nacht, und ich hatte Hunger. Ich ging die Hauptstraße hinauf zu einem kleinen Restaurant, das fünf oder zehn Häuserblocks entfernt war, wie ich es schon oft vorher spät nachts getan hatte.
    Bei früheren Gelegenheiten war ich oft

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