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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Backen.
    »Sie sind völlig ungebunden?« fragte er. »Keine Angehörigen mehr? Keine Braut? Keine Kinder?«
    »Nein, Herr Major.«
    Er log mit unbewegtem Gesicht. Keine Kinder? Nein. Er hatte kein Kind mehr. Laut Beschluß des Landgerichts, Aktenzeichen 346/44-L23/J345, wurde das Kind der schuldlos geschiedenen Mutter zugesprochen. Als Vormund wurde ein entfernt wohnender Onkel von Frau Küppers eingesetzt. Schluß! So hat man kein Kind mehr. Ein Aktenzeichen und ein Beschluß. Man ist nicht mehr würdig, Vater zu sein. Ein Mensch, der säuft, schlägt, hurt und verwahrlost, hat nie ein Kind gezeugt. Und wenn, dann war es ein Irrtum, den man mit einem Aktenzeichen schnell bereinigt.
    »Sie haben überhaupt keine Anverwandten mehr?«
    »Doch. Eine Großtante in einem Damenstift«, sagte Küppers voll grausamen Humors, v. Sporken unterließ es daraufhin, weiter zu fragen.
    »Sie wissen, was Ihnen blüht, Unteroffizier! Sie müssen die Meldungen, die ich Ihnen mitgebe, heil zu Oberst Stucken durchbringen. Sollten Sie gefangengenommen werden, so ist es Ihre erste Pflicht, diese Papiere zu vernichten. Und wenn Sie sie auffressen … das ist das sicherste Mittel.«
    »Jawoll, Herr Major.«
    »Sie müssen siebenhundert Meter durch Gelände, das eingesehen wird und unter ständigem Beschuß liegt.« v. Sporken stockte. »Ich sage es Ihnen offen, Unteroffizier. Zu diesem Weg kann ich niemanden befehlen. Das wäre Mord! Sie haben ohne weiteres das Recht, auch jetzt noch von Ihrer Meldung zurückzutreten.«
    »Nein, Herr Major. Ich gehe.«
    »Gut!« v. Sporken übergab Heinrich Küppers eine kleine Meldetasche. Nur ein paar dünne Zettel lagen darin. Meldungen mit der Stärke der Besatzung des Klosters, Berichte über den Stand der Bewaffnung, der Munitionsvorräte, der Lazarettmittel. Dinge, die in der Hand des Gegners von ungeheurem Wert waren, weil sie zeigten, daß nur eine Handvoll Fallschirmjäger die Trümmer des Klosters verteidigte und nicht einige Bataillone, wie Freyberg an General Alexander meldete, um seine Schlappen wenigstens etwas zu motivieren.
    »Die Meldungen sind auf Seidenpapier geschrieben, Unteroffizier. Sie können Sie also hinunterschlucken und zerkauen.« Er gab Küppers die Hand. »Soll ich sagen: Gott mit Ihnen!?«
    Heinrich Küppers preßte die Lippen zusammen. »Es geht vielleicht auch so«, sagte er aufsässig.
    Mit Gott, dachte er. Gott hat mir nie geholfen. Gott war nie da, wenn ich ihn brauchte. Wo ist er überhaupt? Bei Leni, während der Scheidung? Bei dem Jungen, wenn man ihm später sagt: Dein Vater war ein Lump. Denk nicht mehr an deinen Vater … es ist besser, du sagst, du würdest ihn gar nicht kennen. Es ist ja alles so dreckig in diesem Leben, so widerwärtig.
    Major v. Sporken blickte Küppers nach. Er schüttelte leicht den Kopf. Der Mann ist verbittert, spürte er. Aus dieser Verbitterung heraus macht er den Meldegang, vielleicht in der Hoffnung, auf der Strecke zu bleiben. Einen Augenblick hatte er den Drang, den Unteroffizier zurückzurufen und einen anderen Melder zu nehmen. Aber er zögerte zu lange; als er rufen wollte, war Küppers schon in den Trümmerbergen verschwunden und wand sich außerhalb der Mauer durch die zerklüfteten Felsen.
    An einem Knick des Saumpfades, der um die Höhe 569 führte, hatte sich der Gurkha-Corporal Tandi Meheranhi häuslich eingerichtet. Er lag im toten Winkel der MG-Salven vom Klosterberg, hatte seine Maschinenpistole vor sich auf einem Stein liegen und war dabei, aus dem Zellophanpäckchen der amerikanischen Truppenverpflegung eine Stange gepreßter Früchte zu angeln, um sie in aller Ruhe als Frühstück zu essen. Er war einer der letzten Inder, die noch auf der Höhe 569 saßen … die Mehrzahl des Angriffsbataillons war bereits zurückgegangen, bis auf die Nachhut, der er angehörte und die die Aufgabe hatte, den Deutschen so etwas wie eine Besetzung des Felsens vorzutäuschen.
    Er kaute mit vollen Backen seine Früchtestange und strich sich über den struppigen, schwarzen Bart, den Stolz seiner indischen Heimat, als Heinrich Küppers ebenso arglos über den Saumpfad abwärtsstieg, um in einem Bogen Albaneta zu erreichen.
    Bis jetzt war der Meldegang ein Kinderspiel gewesen. Er hatte die berüchtigte Todesschlucht, durch die die Träger zum Monte Cassino mußten, südlich liegen lassen und klomm in den Bergen herum, sich wohl überlegend, daß ein einzelner Mann auf diesem Wege eher eine Aussicht hat als eine Trägerkolonne, die einen

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