Sie fielen vom Himmel
als man einen kleinen Überblick über die Lage gewann, war die Ersatztruppe an der Sele-Brücke fast aufgerieben. Leutnant Jürgen von der Breyle wurde vermißt.
Die Kampfgruppe Hauptmann Gottschalks war bis auf 70 Mann zusammengeschrumpft. Sie lag hinter Eboli am Tusciano und wartete auf den von der Division versprochenen Ersatz. Die Gruppe Maaßen war vollzählig aus der Hölle herausgekommen, ja, Theo Klein war bereits schon wieder auf Erkundungszügen und hatte nach dem Muster Küppers' ein Schwein gegen einen gestempelten Marschbefehl eingetauscht. Allein die Anwesenheit der gesamten Gruppe Maaßen verlieh der 3. Kompanie so etwas wie den Schein der Unverwundbarkeit.
Während zwei Regimenter der 34. Division die gelandeten britischen Fallschirmjäger beschäftigten, hatte man die 3. Kompanie vorläufig als Sturmgruppe in Reserve gelegt und ihr Zeit zum Verschnaufen gegeben. Der neue Ersatz sollte direkt aus der Fallschirmjäger-Ersatzstaffel kommen, aus der Sprungschule bei Rom.
Felix Strathmann hatte darüber mit Kurt Maaßen eine Diskussion. »Was sollen wir mit dem Ersatz?« sagte er mißbilligend. »Die müssen jeden Tag dreimal ihre Unterhosen waschen, so voll scheißen sie sich! Wir haben vier Jahre Sprungerfahrung und liegen hier wie Pik sieben!«
»Irgendwie müssen wir ja aufgefüllt werden.« Feldwebel Maaßen legte sich auf den Rücken. »Wenn die Amis so weiterdonnern, sehen wir Rom nie wieder. Von Deutschland ganz zu schweigen.« Er wälzte sich zu Küppers auf die Seite und sah zu, wie dieser seine Pistole putzte. »Sag mal, Heinrich, du bist doch verheiratet. Du hast doch 'ne nette Frau. Ich sehe nie, daß du ihr schreibst …«
Unteroffizier Heinrich Küppers legte die Pistole weg. Er steckte umständlich das Putzzeug ein und zog dann die Knie an.
»Das geht dich einen Dreck an«, antwortete er sachlich.
»Natürlich! Der Spieß sagte neulich … alle schreiben sich die Finger krumm, nur von dem Heinrich bekomme ich seit dem letzten Urlaub keinen Brief.«
»Der Spieß kann mich kreuzweise.«
»Tut er nicht, Heinrich!« Maaßen richtete sich auf. Sein Gesicht war ernst. »Hör mal zu, Junge. Ich bin selbst verheiratet und habe zwei Kinder. Und jedesmal, wenn es losgeht, wenn wir mitten im Dreck liegen, dann denke ich an sie und sage mir: Kurt, Kurt, drück die Schnauze in den Dreck, nimm den Hintern 'runter, kneif die Arschbacken zusammen und lieg schön still! Deine Frieda und die beiden Gören, die wollen noch was von ihrem Vater haben. Vor allem die Frieda … die ist noch jung, und Temperament hat sie, daß einem die Luft ausgeht.«
Theo Klein schnaufte und zog die Knie an. »Halt die Fresse, Kurt!« schrie er. »Du machst mich ganz dusselig mit deinem Gequatsche. Wer hier noch was von Weibern sagt, wird erschossen!«
Feldwebel Maaßen schüttelte den Kopf. Er beugte sich zu Küppers hinüber und stieß ihn an.
»Du hast wohl nie daran gedacht, daß deine Frau einmal eine Witwe sein kann, was?«
»Das ist mir gleichgültig.«
»So? Das ist dir gleichgültig. Schnurz egal! Und was wird aus deinem Jungen – wie heißt er noch?«
»Dierk …«
»Was wird aus dem?« Maaßen stieß Küppers wieder an.
Der Unteroffizier blickte ihn mit wütenden Augen an. »Laß mich in Ruhe, sag ich dir! Was geht dich meine Ehe an?« Und als er bemerkte, daß die anderen fünf ihn anstarrten, fügte er hinzu: »Damit ihr's endlich wißt – sie will sich scheiden lassen! Ich bin ihr zu rauh … zu schweinisch … Du bist ein Mörder, hat sie zu mir gesagt! Seitdem du im Krieg bist, ist der Mensch für dich einen Dreck wert! Du hast deine Persönlichkeit verloren, dein Wesen, deinen Charakter, alles hast du verloren. Nur eins ist dir geblieben: der tierhafte Trieb! Und darauf verzichte ich!«
»Meine Fresse!« Theo Klein stützte den dicken Kopf auf die Hände. »Da hat deine Olle ja tüchtig ausgepackt. Und was hast du gesagt?«
Heinrich Küppers sah auf seine Hände. Er schwieg lange und wandte sich dann ab. »Ich habe sie ins Gesicht geschlagen und habe drei Tage lang gesoffen! Bis zum Ende des Urlaubs! Dann bin ich zu euch zurück … und nun läuft die Scheidung.« Er nahm seine Pistole vom Boden, steckte sie in das Futteral und ging schnell davon. Hinter einem Munitionswagen verschwand er.
Kurt Maaßen sah die anderen sinnend an. »Ich werde beim Chef dafür sprechen, daß der Heinrich eine Gruppe des Ersatzes bekommt. Zur Einschulung«, sagte er. »Und eins ist klar, Kerls, der nächste,
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