Sie haben mich verkauft
und wir aßenzu Abend und erzählten anfangs schüchtern, dann zuversichtlicher von uns. Ich konnte es kaum glauben: Da saß ich nun und redete und lachte mit einem Mann, der mich nicht benutzen, auch nicht verletzen wollte – wenigstens, soweit ich wusste. Später fuhren wir in Murats Wohnung und liebten uns wieder.
»Du zeigst mir doch nicht wieder die kalte Schulter, oder?«, fragte Murat.
Ich schüttelte den Kopf. Es hätte ja auch gar keinen Zweck gehabt; ich steckte schon viel zu tief in dieser Sache drin.
Von da an traf ich mich regelmäßig mit Murat, und er wurde meine Zuflucht; bei ihm konnte ich meine Traurigkeit wegen der Kinder vergessen und auch meine Scham über die Arbeit, der ich immer noch nachging. Wie ich arbeitete auch er bis in die frühen Morgenstunden, und zwar in einem Kebab-Restaurant, und gegen Morgengrauen trafen wir uns dann. Ich genoss die Zeit, die wir miteinander verbrachten. Er kochte für mich, ließ mir ein Bad ein oder servierte mir Wein, wenn wir im Bett saßen und auf die Lichter der Stadt schauten, bis die Sonne aufging. Meine Zeit mit ihm war wie eine Seifenblase des Glücks, die immer erst in dem Moment zerplatzte, in dem ich zurück in die Sauna musste, zurück zu dem, was ich verabscheute.
»Wie lange willst du denn diese Arbeit machen?«, fragte Murat mich manchmal.
Ich wusste, ihm gefiel mein Job nicht.
»Ich mache das, bis ich genug Geld für meine Kinder zusammenhabe«, antwortete ich dann immer. Ich hatte ihm erzählt, wie es mich hierher verschlagen hatte, und beschrieb ihm auch den Schmerz, den ich angesichts der Trennung von Sascha, Pascha und Luda empfand.
Murat runzelte die Stirn. »Könntest du keine andere Arbeit finden?«
»Ich glaube nicht. Ich habe doch keine Papiere. Ich denke selbst andauernd darüber nach, aber ich habe Angst, dass mich die Polizei erwischt. Vielleicht könnte ich ja bei dir arbeiten und Kebabs machen, hm?«
»Nein«, meinte Murat und lachte. »Das ist keine Arbeit für Frauen. Ich kann dir nicht helfen, aber du solltest dir unbedingt was anderes suchen. Der Job, den du machst, ist nicht gut.«
KAPITEL 34
E s war Heiligabend. Ich hatte einen Tag frei und ging in den Supermarkt, um Wodka und Fruchtsaft zu kaufen. Ich wollte mich betrinken. Dies war die schlimmste Zeit im Jahr für mich, denn überall um mich herum feierten glückliche Familien mit ihren Kindern. Immerzu musste ich an zu Hause denken und daran, wie aufgeregt meine Kinder auf das Neujahrsfest warten würden. Ein weiteres Jahr, in dem ich nicht bei ihnen war, und allein wollte ich nicht sein. Ich wollte trinken, tanzen und vergessen.
Murat arbeitete, also beschloss ich, in die Sauna zu gehen und zu schauen, wer an dem Abend dort war.
»He, wir haben Weihnachten. Will eine was trinken?«, fragte ich, als ich in das Wohnzimmer kam, in dem wir uns immer aufhielten, wenn wir nicht gerade mit Kunden zusammen waren.
Im Lauf der Jahre hatte ich eines gelernt: Ich konnte mich darauf verlassen, dass große Mengen Wodka den Schmerz meines Lebens betäubten. Auch jetzt noch, obwohl ich nicht mehr Ardys Sklavin war, wollte ich unbedingt die Realität meiner Situation vergessen, genau wie die große Entfernung zwischen mir und den Menschen, die ich am meisten auf der Welt liebte. Ich wusste, der Alkohol war nicht gut für mich, aber das war mir schlichtweg egal – ohne den Wodka wäre ich mit dem Ganzen nicht fertig geworden. Wenn mein Leben erst besser würde, davon war ich fest überzeugt, würde ich auch vom Wodka loskommen. Und bis zu dem Tag war er mein Tröster und mein Freund.
Lara und fünf Mädchen von der Stammbesetzung saßen da und freuten sich, mich zu sehen.
»Ja, schön, wieso nicht? Schließlich ist ja Weihnachten«, sagte Lara, also schenkte ich Wodka ein und kippte schnell ein paar Gläser, während wir uns frohe Weihnachten wünschten. Bald fühlte ich mich im Kopf ganz leicht, und ich entspannte mich. Jetzt konnte ich meine Traurigkeit vergessen.
Eine Neue kam herein. Ich kannte sie noch nicht. Offenbar war sie Engländerin, aber sie sagte kein Wort, als sie sich einen Wodka nahm. Ich spürte, wie ich deshalb langsam wütend wurde.
»Gehört das dir?«, fragte ich sie.
»Nein.« Herausfordernd sah sie mich an und stürzte meinen Wodka herunter.
Ich lächelte kalt. »Na, dann musst du mich fragen. Das Zeug gehört mir, und nimm dir gefälligst nichts, ohne zu fragen.«
Die Frau sagte nichts, und ich drehte mich weg und unterhielt mich weiter mit den
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