Sie haben mich verkauft
wurde so stark, dass ich sie kaum noch bändigen konnte. Wenn ich arbeitete, brodelte sie Stunde um Stunde in mir, bis ich fast blind war vor Zorn. Ich verabscheute das, was ich tat, aber ich sah keinen anderen Ausweg. Ich musste den Kindern Geld nach Hause schicken, während ich mir einen anderen Weg suchte, der mir ein neues Leben ermöglichte und mir erlaubte, meine kleinen Lieblinge zurückzubekommen.
Die einzigen Augenblicke, in denen ich zufrieden war und meinen Kummer und meine Wut vergessen konnte, waren die, die ich mit Murat verbrachte. Aber ich wusste, er verabscheute meinen Job genauso sehr wie ich.
Anfang des neuen Jahres rief ich in der Sauna an, um Bescheid zu geben, dass ich nicht zur Arbeit kommen könne, weil ich meine Periode hatte.
»Einen Moment mal«, sagte die Frau am Empfang und legte den Hörer weg. Lara arbeitete an dem Tag nicht, und diese Frau kannte ich nicht. Kurz darauf war sie wieder am Apparat. »Ich habe mit dem Boss gesprochen, und er will, dass du herkommst und es ihm zeigst.«
»Wieso?«
»Er will sich überzeugen, dass du nicht lügst.«
Da packte mich die Wut. Das war ja wie in meiner Zeit mit Ardy. Wieso sollte ich mich so demütigen lassen? »Sag ihm, er kann mich mal!«, schrie ich. »Ich mache so was nicht mehr.«
Ich fühlte mich befreit, als ich den Hörer aufknallte, aber das hielt nicht lange an. Wo sollte ich Geld für Essen und die Miete herbekommen? Wie sollte ich Geld nach Hause schicken? Ich rief noch einmal in der Sauna an, erklärte, ich sei ein wenig voreilig gewesen und hätte mich wieder beruhigt.Könnte ich in ein paar Tagen zur Arbeit zurückkommen, wenn ich meine Periode nicht mehr hätte?
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Schließlich hast du mir gesagt, ich kann dich mal«, sagte der Boss kalt. »Du bist hier nicht mehr willkommen.«
Wieder einmal stand mir Lara zur Seite. Diesmal gab sie mir eine Empfehlung für eine Türkin namens Gul, die in einer Wohnung ein Bordell betrieb und eine Mitarbeiterin für den Empfang brauchte. Ich ging mich bei Gul vorstellen, und wir verstanden uns gut. Die Wohnung war sauber, und alles schien gut zu funktionieren.
»Willst du in den Schlafzimmern arbeiten?«, fragte sie mich fröhlich, als sie mich herumführte. »Da verdienst du viel mehr.«
Eine ganze Weile dachte ich darüber nach. Natürlich brauchte ich Geld, aber hier hatte ich endlich die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich musste unbedingt damit aufhören, mich zu verkaufen. Wenn ich das nicht tat, würde mich dieser furchtbare Zorn in meinem Innern schließlich kaputtmachen, das wusste ich. Es ging einfach nicht mehr. Dies war meine Chance, endlich mit dem aufzuhören, was gegen meinen Willen vor so langer Zeit begonnen hatte.
»Nein«, antwortete ich.
»Bist du sicher?«
Ich sah ihr direkt in die Augen und sagte entschlossen: »Ja, ich bin sicher.«
Endlich würde ich mir im Spiegel wieder ins Gesicht sehen können.
Zwei Wochen später rief mich Gul an und teilte mir mit, dass sich in der Wohnung nichts mehr abspielte. In der Nähe sei ein Mord geschehen, und überall laufe jetzt die Polizei herum. Mir wurde ganz schlecht, als sie das sagte. In zwei Tagenmüsste ich zweihundert Pfund an Miete zahlen, und ich hatte nur dreißig.
»Was soll ich denn jetzt tun?«, weinte ich bei Murat. »Ich muss zurück in die Sauna. Ich habe gar keine andere Wahl. Sonst kann ich nichts tun. Um einen regulären Job kann ich mich nicht bewerben; ich muss mich weiter verstecken, sonst findet mich die Polizei.«
Er schwieg einen Moment. »Du könntest bei mir bleiben«, sagte er dann.
Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. Wollte er wirklich, dass ich bei ihm wohnte?
»Ich habe ein zweites Schlafzimmer, und du bist in Not«, meinte er.
Eine Weile war ich sprachlos. Murat hatte angeboten, mir zu helfen. Vielleicht war dies ja die zweite Chance in meinem Leben, nach all den Jahren des Träumens war endlich das Happy End zum Greifen nah.
»Danke«, sagte ich und umarmte ihn.
KAPITEL 35
I ch liebte Murat beinahe schon zu sehr. Ich hielt ihn für einen von Gott gesandten Engel, der mir zu Hilfe gekommen war, und ich konnte gar nicht anders, als für ihn all die Gefühle aufzubringen, um die ich so lange eine Mauer errichtet hatte. Nur mit meinen Kindern war es mir bisher so ergangen.
Murat beschützte mich, er wusste so viele Dinge über England und beriet mich in jeder Hinsicht. Er las auch sehr viele religiöse Bücher
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