Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
Vom Netzwerk:
Mädchen. Bald goss sie sich noch ein Glas ein.
    »Also hör mal«, sagte ich, und meine Stimme hörte sich tief und gereizt an. »Ich weiß nicht, wer du bist, und du kennst mich nicht, also lass mein Zeug in Ruhe. Und selbst wenn du vor sonst keinem hier Respekt hast, vor mir schon!«
    »Ach, verpiss dich«, sagte die Frau und bedachte mich mit einem kalten Blick.
    Ich starrte zurück, die Wut stieg in mir hoch.
    »Oxana«, zischelte Lara. »Beruhige dich doch.«
    Sie hatte gesehen, wozu ich fähig war, wenn ich viel zu viel getrunken hatte – dann war ich aggressiv und streitlustig. Ich holte tief Luft und verließ den Raum. Sollte die Neue sich doch verpissen. Ich hatte Hunger. Ich wollte etwas essen.
    Mir drehte sich der Kopf, als ich nach oben in die Küche ging und mich daranmachte, Salami und Käse aufzuschneiden und für alle Mädchen auf einem Tablett zurechtzulegen. Wir wollten uns heute Nacht amüsieren, wir wollten vergessen, wo wir waren, wollten diese Jahreszeit vergessen, in der die Familien gemeinsam feierten. Aber dabei musste ich andauernd an diese Neue denken. Meinte sie wirklich, sie könnte uns andere wie Dreck behandeln, bloß weil sie eine Engländerin war? Wenn Männer das mit uns taten, war es eine Sache; aber eine ganz andere Sache war es, wenn ein Mädchen so etwas tat. Die Wut kochte in meinen Adern, als sie in die Küche kam.
    Ich wirbelte zu ihr herum und fühlte die Wut an die Oberfläche dringen. Ich schrie: »Wenn du denkst, du kannst tun, was du willst, bloß weil du Engländerin bist und das Gesetz auf deiner Seite hast und ich nur eine Illegale bin, dann verpiss dich lieber!«
    »Verpiss du dich doch selber!«, brüllte die Neue zurück.
    Wie konnte sie das wagen? Ich war es so leid, wie ein gesichtsloses Stück Scheiße behandelt zu werden. Die sollte nur wissen, dass sie mich nicht so herumschubsen konnte. Mit dem Brotmesser in der Hand machte ich einen Schritt auf sie zu und schrie: »Sag du mir nicht, dass ich mich verpissen soll!«
    Sie sah hinunter auf das Messer in meiner Hand, die Augen weit aufgerissen. Mir wurde klar, dass sie dachte, ich wolle mit dem Messer auf sie los. Bevor ich noch irgendetwas tun konnte, hastete sie rückwärts aus der Küche, stolperte auf dem winzigen Treppenabsatz, rutschte auf der obersten Treppenstufe aus und fiel runter.
    Ich schoss nach vorn, um ihr zu helfen, aber es war zu spät: Polternd stürzte sie bis ganz nach unten und schrie laut dabei.
    Ich hatte kaum Zeit zu begreifen, was da passiert war, da kamen schon die Mädchen aus dem Wohnzimmer angelaufen, um ihr zu helfen. Ich starrte nach unten und sah, wie sie der Neuen halfen, die jetzt zu weinen anfing. Lara überzeugte sich, dass alles mit ihr so weit in Ordnung war, dann blickte sie die Treppe hoch zu mir.
    »Was hast du getan?«, rief sie wütend. »Du hast gerade versucht, sie umzubringen!«
    Das war so lächerlich, dass ich laut auflachte. »Was redest du denn da? Ich mache Sandwiches, ich bringe doch keinen um. Das war ein Unfall.«
    »Tu doch nicht so, Oxana. Wir haben mitbekommen, wie ihr euch angeschrien habt, und dass sie die Treppe runterfiel, haben wir auch gehört. Sag mir, was du getan hast.«
    »Überhaupt nichts. Ich habe Käse und Salami aufgeschnitten. Sie kam rein, wir haben uns angeschrien, und dann ist sie gestolpert und gefallen. Ich habe sie nicht angerührt.«
    Ich ging zurück in die Küche und versuchte, mich zu beruhigen. Es war ein lachhafter Unfall, und ich wusste das. Wie konnte Lara etwas anderes denken? Manchmal war ich aggressiv und laut, aber ich hatte noch nie versucht, jemanden zu verletzen. Ein paar Minuten später erschien Lara in der kleinen Küche.
    »Ist sie in Ordnung?«, fragte ich.
    »Ja, das wird schon wieder. Aber sie hat die Polizei angerufen. Die kommen jetzt. Sie hat gesagt, du hast versucht, sie umzubringen.«
    Ich hob mein Glas und nahm noch einen Schluck Wodka. Die Kehle brannte mir, als ich das Zeug hinunterschluckte. »Sollen sie doch kommen, wenn sie wollen. Ich habe nichts getan.«
    Der Alkohol machte mich mutig, und als zwei Polizisten kamen und mich verhafteten, spielte ich die Dreiste, gab michkühn und furchtlos, lachte sogar ein bisschen. Aber als ich dann erst einmal eine Stunde auf der Polizeiwache gesessen hatte und die Wirkung des Wodkas allmählich nachließ, war mir schon ganz anders zumute.
    Ich saß ziemlich in der Klemme. Sie würden mich nach meinen Papieren fragen, und ich hatte doch keine. Wieso war ich so dumm

Weitere Kostenlose Bücher