Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
Vom Netzwerk:
eine Zigarette, noch nicht einmal die Zeit, auf die Toilette zu gehen, und erst um sieben Uhr früh war ich fertig, nachdem ein Kunde nach dem anderen gekommen war und sich das neue Mädchen angesehen hatte. Ali kannte viele Männer, die türkische Mädchen mochten, und in sieben Stunden hatte ich dreizehn Männer, einen nach dem anderen. Anfangs versorgte ich sie ordentlich – ich war wie ein Roboter, wenn ich sie massierte, mich zu ihnen runterbeugte, mich für sie auf den Rücken legte und dann wieder aufstand, um von vorn mit dem Job zu beginnen. Aber allmählich kam die Wut in mir hoch, und als es dann Morgen wurde, sprang ich fast schon grob mit den Kerlen um. Ich kniff sie, ich lächelte nicht, und ich sah sie nicht an, wenn ihr Körper sich auf mir bewegte.
    Ardy war so ungeduldig, als ich auf die Straße trat, dass er das Geld gleich an Ort und Stelle sehen wollte. Normalerweise wartete er, bis wir in der Abgeschiedenheit des Zimmers waren.
    »Gut, gut«, sagte er ganz aufgeregt, als er das Geld nahm. »Die haben recht gehabt, in London verdient man viel besser.«
    Ich sagte nichts. Ich hatte Schmerzen im Unterleib wie nach einer Entbindung, und ich dachte, ich würde umkippen. Dabei fragte ich mich, ob ich mir je den Gestank dieser Nacht abwaschen könnte, und ich mochte an nichts anderes denken als an Schlaf. Aber als ich geduscht hatte und ins Bett ging, streckte Ardy den Arm aus und wollte mich berühren.
    »Bist du wahnsinnig?«, fragte ich ihn.
    »Nur blasen«, sagte er.
    »Nein.«
    »Ach, komm schon.«
    »Bitte, fass mich bitte nicht an.«
    Ardy drehte sich um und ließ mich in dieser Nacht in Ruhe, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich tun, was er verlangte. Die Schmerzen tief in mir spürte ich immer noch, und ich wusste, die Nacht war nicht mehr fern. Fürs Erste wollte ich mich im Schlaf verstecken und Dunkelheit über mich gleiten lassen.
     
    Die folgenden Tage verliefen nach demselben Schema. Ich wäre am liebsten gestorben, als Ardy mich abholte. Ich wollte mich einfach nur hinlegen, die Augen zumachen und die Wut verrauchen lassen, die mir durch die Adern raste. Etwas Seltsames war mit mir seit unserer Ankunft in London passiert. Vielleicht lag es daran, dass Ardy meinen Stapel Geld entdeckt und wieder einmal meine Hoffnungen zerstört hatte, jedenfalls wich die Taubheit in mir mehr und mehr einem Gefühl der Wut. Und dieses Gefühl wurde ich einfach nicht mehr los. Ständig kochte die Rage in mir, und ich konnte weiter nichts tun, als sie unter Kontrolle zu halten. Bei der Arbeit saß ich rittlings auf den Kunden und stellte mir vor, dass ich ihnen ein Kissen aufs Gesicht drückte oder ein Messer ins Herz stieß. Sie machten mich krank. Manche waren reiche Männer, die in der Öffentlichkeit voller Verachtung auf jemanden wiemich herabgeschaut hätten; andere kümmerten sich nicht darum, dass sie schmutzig waren, wenn sie die Unterhosen mit braunen Flecken auszogen, und sie machten sich nicht einmal die Mühe, mich von ihrer Haut wegzuwaschen, ehe sie zu ihren Frauen nach Hause gingen.
    Wenn ich ihnen ein Kondom überzog, machte ich die Augen zu und schaltete meinen Verstand aus, damit ich sie weder sehen noch fühlen noch riechen musste. Doch ich verabscheute sie mehr und mehr. Es kam mir so vor, als wachse dieses Gefühl in mir stetig an, und manchmal meinte ich, es werde jeden Moment aus mir herausbrechen, wenn sie mich Miststück nannten oder meinen Körper anstarrten, während ich mich anzog.
    Bald gewöhnte ich mir an, nach jedem Freier auf die Schnelle kalt zu duschen oder mir auf die Wangen zu klatschen, um mich zu beruhigen. Aber wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich eine fremde Frau. Sie hatte harte Augen, gebleichtes Blondhaar, schwarze Haaransätze, und sie war zu stark geschminkt. Es war deutlich zu erkennen, dass sie ein düsteres Herz hatte, und ich fürchtete den Tag, an dem es sich der Welt offenbaren würde. Ich wollte nicht so sein wie sie. Ich wollte die Menschen lieben, an sie glauben, lachen und Spaß haben. Doch dann schaute ich an meinem Körper hinunter – sah die Blutergüsse auf den Armen, die Fingerabdrücke am Hals und die Handabdrücke auf dem Hintern, wo man mich geschlagen hatte –, und ich wusste, das würde mir nie gelingen. Jeder Mann war ein weiteres Stück Dreck, das meine Seele beschädigte. Mir hatte mal einer erzählt, dass man die roten Blutergüsse, die die Freier hinterließen, Knutschflecken nannte, und ich hasste das Wort.

Weitere Kostenlose Bücher