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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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Land.«
    Ich mochte das gar nicht glauben. Was wollte Naz damit sagen? Wie konnte es sein, dass man nicht ins Gefängnis kam, wenn man gegen das Gesetz verstieß? Was war mit all den Leuten, die uns gejagt hatten, als wir nach Italien wollten? Die Schüsse, die sie auf uns abgefeuert und die Lichter, die sie auf uns gerichtet hatten, als sie nach unssuchten? In England wäre es doch ganz sicher genau dasselbe.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte ich zu Naz. »Ardy hat mir erzählt, dass ich jahrelang im Gefängnis schmoren würde, wenn man mich fände. Er hat gesagt, ich käme dann nie nach Hause zu meinen Kindern.«
    Sie schwieg einen Moment, ehe sie sich vorbeugte und meine Hand nahm. »Das ist ganz einfach«, sagte sie gedehnt. »Ardy belügt dich. Er hat das alles erfunden.«
     
    In den Tagen danach musste ich immer wieder an das denken, was Naz gesagt hatte. Wie hatte ich Ardy je glauben können? Wieder einmal fühlte ich dieses Tier der Wut in mir emporsteigen, wie ich so dalag und ihn ansah, während er schlief, und den einen Moment empfand ich furchtbare Scham, den nächsten nur noch Wut. Ich war so schwach. Wie leicht hatte ich es doch allen gemacht, mich zum Narren zu halten.
    Eines Abends vor der Arbeit saßen Naz und ich zusammen und rauchten.
    »Ich habe über das nachgedacht, was du mir erzählt hast«, sagte ich. »Wenn es stimmt, dann bin ich wirklich dumm gewesen. Vielleicht verdiene ich das ja alles, eben weil ich so dumm bin. Wie konnte ich nur zulassen, dass Ardy mich so leicht austrickst?«
    »Sei nicht so streng mit dir, Oxana«, sagte Naz. »Ich kenne noch mehr Mädchen wie dich. Du bist nicht allein. Woher soll man denn wissen, wie das alles wirklich ist, wenn man fremd ist im Land?« Sie nahm einen Zug und sah mich ernst an. »Also, was willst du jetzt tun? Ewig für ihn weiterarbeiten?«
    Ich runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
    »Was ich gesagt habe. Willst du ewig eine Gefangene bleiben?«
    »Aber was kann ich denn tun?«, fragte ich wütend. Naz verstand eben nicht, wie das war. Sie hatte keine Ahnung – das war alles nicht so einfach, wie es sich anhörte.
    »Fliehen, zur Polizei gehen, alles, bloß nicht das hier.«
    Ich schaute mich um, ich wollte mich überzeugen, ob nicht vielleicht doch jemand zuhörte. Ich hatte sogar Angst, wenn ich nur darüber redete. »Sei doch nicht naiv, Naz. Ich kann nicht einfach weglaufen. Noch am selben Tag hätte er mich gefunden; er hat überall Freunde, und ich kenne keine Menschenseele und habe auch kein Geld. Aber vor allem weiß er, wo meine Kinder sind. Denen würde es übel ergehen, wenn ich ihm je davonlaufen sollte. Ich muss eben einfach warten, bis meine Schulden abbezahlt sind.«
    Naz beugte sich vor zu mir und nahm meine Hand. »Ja, begreifst du denn nicht, Oxana?«, fragte sie leise. »Das wird nie, niemals der Fall sein. Ardy wird dich immer bei sich behalten.«
    »Aber wie sollte ihm das gelingen?«
    »Er weiß, dass du viel zu viel Angst hast, um wegzulaufen.«
    Ich starrte sie an. Ich wollte einfach nicht darüber reden, ja nicht einmal darüber nachdenken. Was sie sagte, konnte so nicht stimmen.
    »Überleg doch mal«, bat sie. »Was könnte Ardy tun, wenn du wegläufst?«
    »Jemanden anrufen, seine Freunde bitten, ihm zu helfen«, antwortete ich. »Ich kenne das, Naz. Ich habe alles gesehen – die Waffen, die Drogen. Das sind gefährliche Leute, und sie haben Bilder von meinen Kindern, wissen deren Namen, alles.«
    »Aber die Leute hast du alle hinter dir gelassen, und jetzt bist du hier mit ihm.«
    »Ja, und?«
    »Na hör mal, glaubst du wirklich, dass du Ardy so viel wert bist? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Geld es ihn kosten würde, deine Kinder ausfindig zu machen? Er ist noch ganz neu in der Branche und fürchtet sich genauso vor den Gangstern, die dich verkauft haben, wie du. Aber ihm war klar, dass du so fürchterliche Angst hattest, als er dich kennenlernte, dass du alles glauben würdest, was er sagt, und von dem Augenblick an hat er dich einer ständigen Gehirnwäsche unterzogen, damit du ja bei ihm bleibst.«
    Ich sah Naz an. Ich wollte so gern glauben, was sie sagte, aber ich war so verängstigt und zugleich wütend. Wieso hörte sich das alles so einfach an, wenn sie es sagte? So lange hatte ich schon nicht mehr an Flucht gedacht, ich hatte akzeptiert, dass ich bei Ardy bleiben würde, bis er mich gehen ließ.
    »Hör zu, Oxana«, sagte Naz. »Du kannst tun, was immer du willst – fliehen, zur Polizei

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