Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
Vom Netzwerk:
gekommen war – er war ganz allein, ohne seine Geschwister, die ihm hätten Gesellschaft leisten können, und erreichen konnte ich ihn auch nicht. Wie sollte ich nur wiedergutmachen, was er ohne uns zu erleiden hatte? Wäre ich je in der Lage, ihm zu erklären, dass ich ihn nicht freiwillig allein gelassen hatte?
    Viele Fragen gingen mir durch den Kopf, und ich überlegte, was ich tun sollte, und wenn ich dann endlich einschlief, geisterten düstere Bilder durch meine Träume. Es waren keine Gesichter oder Leute, die ich erkannte, aber wie schon als Kind wusste ich, es war der Teufel, der bald kommen und mich töten würde, und ich träumte, dass mich jemand würgte, und dann wachte ich keuchend auf. Meine Mutter hatte immer zu mir gesagt, dass die Albträume verschwinden würden, wenn man dreimal am Tag betet, aber manchmal hatte ichsolche Angst, dass ich mich nicht einmal mehr an den Wortlaut der Gebete erinnern konnte. Stattdessen trank ich Kaffee, rauchte Zigaretten, machte den Fernseher an oder las stundenlang in einem Buch, bis die Sonne aufging und ich schließlich wusste, dass ich in Sicherheit war.
    Die Wochen vergingen, und ich begriff allmählich, dass ich im Grunde gar nicht frei war, sondern nur das eine Gefängnis gegen das andere eingetauscht hatte. Ich mochte ja ein verriegeltes Fenster eingeschlagen haben, um von Ardy wegzukommen, aber vor den Eisengittern der Angst zu fliehen, die er in meinem Kopf errichtet hatte, würde weitaus länger dauern.
     
    Ich fühlte, wie mir die Tränen kamen, als ich im Wohnzimmer der Sauna saß. Es war gegen zwei Uhr morgens, und ich hatte erst einen Kunden gehabt. Weniger Geld bedeutete weniger Essen auf dem Tisch meiner Kinder.
    »Du musst einfach ein bisschen mehr lächeln, dich mehr entspannen«, sagte Lara, als sie hereinkam und mich allein da sitzen sah. »Wenn du so weitermachst, dauert es ein Jahr, ehe du überhaupt was verdient hast.«
    »Ich weiß ja. Ich gebe mir doch Mühe.«
    »Nein, tust du nicht. Du siehst aus, als wolltest du einen umbringen. Kein Wunder, dass dich keiner will – du verschreckst ja die Kunden.«
    Ich sah Lara hinterher, als sie den Raum verließ. Sie hatte recht. Ich verschreckte die Kunden und schien mich nicht beherrschen zu können. Die ganze Zeit über war so viel Wut in mir, und wenn ich mich früher gezwungen hatte, eine Maske zu tragen, so erstickte mich diese Wut jetzt fast. Inzwischen spürte ich nur noch diese Wut, und manchmal bekam ich kaum Luft, wenn ich mich bemühte, sie zu unterdrücken.
    Immer wieder sagte mir Lara, ich dürfe nicht so unhöflich zu den Kunden sein. In den Wochen seit meiner Flucht nach Essex waren wir uns nähergekommen, und manchmal besuchte ich sie sogar in ihrer Wohnung, um für sie zu kochen. Es machte mich glücklich, jemanden zu haben, um den ich mich ein wenig kümmern konnte, und Lara war mir schnell Freundin, Mutter, Tochter, Schwester, alles in einem geworden. Sie war außerdem der Mensch, der mir manches erklärte und mir etwas von diesem neuen Land zeigte. Einmal gingen wir sogar in einen Nachtklub.
    Ich folgte ihr nach draußen zum Empfang.
    »Ich versuche es ja, ganz bestimmt«, beharrte ich, als sie sich wieder setzte. »Aber die mögen mich hier einfach nicht.«
    »Na ja, vielleicht täten sie das, wenn du ein bisschen mehr lächeln würdest. Ich weiß ja, es ist schwer, aber du musst dir Mühe geben, Oxana.«
    Die Wut stieg wieder in mir hoch. »Ich gehe mal was trinken«, sagte ich und drehte mich um.
    Der Alkohol war inzwischen die einzige Möglichkeit für mich weiterzuarbeiten. Mit ein paar Wodkas intus war ich anders – entspannt, glücklich und sorglos. Ich legte Musik auf und tanzte, lachte und ging völlig aus mir raus. Ich begriff nicht, wieso ich kein braves Mädchen auch ohne den Schnaps sein konnte. Die Kunden hier waren nicht so wie in Tottenham. Sie waren Stammkunden, benahmen sich anständiger, waren weder grob noch unhöflich. Hier schrie keiner herum und nannte mich Miststück, und keiner verlangte Dinge von mir, die ich nicht machen wollte. Aber meine Wut hatte ich immer noch nicht unter Kontrolle, wenn einer der Freier das Falsche sagte.
    »Und, magst du deinen Job?«, mochte mich etwa ein Mann fragen, wenn er sich nach dem Sex anzog. »Das ist doch einprima Job, nicht? Nur ficken und dafür auch noch Geld bekommen.«
    »Was soll das denn heißen?«, schrie ich zurück. »Meinen Sie etwa, es ist so einfach, mit Ihnen zu ficken, Sie anzulächeln und so zu tun, als

Weitere Kostenlose Bücher