Sie haben sich aber gut gehalten!
die mich abrupt stoppen lässt. Aluschalen mit Essensresten türmen sich auf der Ablage und verströmen ein penetrantes Aroma. Genau das Richtige für einen knurrenden Magen. Ganz zu schweigen von dem schmutzigen Geschirrberg. Ohne Spülmaschine ist das kein Spaß.
Wütend stemme ich die Hände in die Hüften. «Ich dreh dieser schlampigen Hippie-Oma den Kragen um», murmele ich, als sie unvermutet neben mir auftaucht.
«Bitte schön, nur zu!» Sie reckt mir ihren moppeligen Hals entgegen und blinzelt mich aus braunen Augen unschuldig an.
Schuldbewusst zucke ich zusammen und entschuldige mich halbherzig. «War nicht so gemeint.»
«Und ich wollte dich nicht aushorchen», lenkt Lotte ein. «Im Grunde geht es mich ja auch nichts an, wo du warst. Ich bin halt ein neugieriges altes Weib.» Sie krempelt die Ärmel hoch, schlurft auf das Müllchaos zu und schüttelt den Kopf. «So eine Schweinerei, wer war das denn?»
Jetzt muss ich doch kichern.
Sie dreht sich zu mir um und lächelt. «Wie schön, dich auch mal heiter zu sehen. Warum ziehst du dir nicht was Bequemeres an, während ich in der Zwischenzeit die Küche aufräume, Tee koche und uns einen Imbiss zubereite?»
Lotte und sauber machen? Eher wird der Klimawandel gestoppt!
Unschlüssig lehne ich am Türrahmen, beobachte, wie sie die Aluschüsseln in den Recyclingkübel und die Essenreste in den Restmülleimer wirft (Na so was, sie kennt sich mit Mülltrennung aus!). Die Frau wird mir ein ewiges Rätsel bleiben – und genau aus diesem Grund sollte ich sie nicht unbeaufsichtigt in meiner Küche werkeln lassen. Zwei Verwüstungen an einem Tag sind mehr als genug.
«Na los», fordert sie mich mit einer scheuchenden Handbewegung auf, als wäre ich eine streunende Katze. «Ich verspreche dir, dass ich nur aufräume und nichts kaputt mache.»
Also gut, ergebe ich mich im Stillen und verdrücke mich. Jeder hat eine Chance verdient.
Unter der Dusche vergesse ich das Chaosmonster im Micky-Maus-Schlafanzug. Stattdessen spukt mir John durch den Kopf. Ich spüre eine wohlige Müdigkeit in den Gliedern und bin doch so aufgekratzt wie lange nicht mehr. Selbst wenn ich jetzt schlafen wollte, würde mich doch ein Gedanke wach halten: Wie wäre mein Leben mit John verlaufen? Hätten wir geheiratet? Kinder gehabt? Wären wir heute noch glücklich? Oder auch schon wieder geschieden?
Ich weiß, es ist unsinnig, über Hypothesen nachzudenken, auf die es keine befriedigende Antwort geben kann. Andererseits: Vielleicht gibt es ja doch einen großen Schicksalsplan, der John und mich wieder zusammengeführt hat. Möglicherweise war es Amor, der uns eine zweite Chance gibt. Der John zu Volker in die Praxis gesandt hat, damit der ihn als Makler engagieren kann. Hinter so viel Zufall muss einfach ein Plan stecken.
Gehüllt in meinen Bademantel, begebe ich mich zum Flurschrank. Ich schlüpfe in frische Wäsche und überlege, was ich anziehen soll, als ich plötzlich beißenden Brandgeruch wahrnehme.
Feuer!
Verflixtes Schweigermonster!, schimpfe ich beim panischen Sprint nach unten. Wie naiv von mir, sie allein zu lassen. Die fackelt das Haus schneller ab, als man das Wort Feuer überhaupt aussprechen kann.
Hektisch reiße ich die Küchentür auf. Qualm schlägt mir entgegen, und ich muss husten.
Von Lotte ist nichts zu sehen. Glücklicherweise auch keine Flammen. Als Rauchquelle orte ich eine Pfanne, die ich eilig von der Herdplatte nehme – und mir dabei die Finger verbrenne. Was immer die verkohlte Masse hätte werden sollen, lässt sich nicht mehr erkennen. Erst recht nicht mehr essen.
«Gerade nochmal gutgegangen», schnaufe ich erleichtert, während ich die Verbrennung mit kaltem Wasser kühle. Danach öffne ich das Fenster und begebe mich auf die Suche nach der Brandstifterin.
«Lotteee!!!», rufe ich durchs Treppenhaus.
Keine Antwort.
Im Wohnzimmer ist sie auch nicht, aber die Terrassentür steht weit offen. Wie ich an dem gedeckten Tisch und der Thermoskanne erkenne, hat sie zumindest schon mal Tee gekocht. Im Schein der Terrassenbeleuchtung entdecke ich die Micky Maus mit den pinkfarbenen Haaren im Garten. Am Rande eines Beets kauert sie mit dem Rücken zum Haus im Gras!
Sucht sie Glücksklee? Im Dunkeln?
Was für ein absonderlicher Anblick. Unter anderen Umständen könnte ich der Szene durchaus etwas Erheiterndes abgewinnen. Aber im Moment bin ich einfach nur stinksauer und muss Dampf ablassen, sonst platze ich.
Erbost trete ich auf die Terrasse. «Lotte!
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