Sie haben sich aber gut gehalten!
die wie ein Dolly-Buster-Klon aussieht. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich bin doch eine intelligente Frau von fast fünfzig, die noch dazu in Kürze Oma wird. Wie gut, dass wir uns nur geküsst haben. Ich würde mich nie wieder im Spiegel anschauen können.
«Liebchen!»
Eine leise Stimme holt mich aus dem düsteren Tal des Liebeskummers zurück in die graue Realität.
Mühsam richte ich mich auf und blinzle in die Richtung, aus der die Stimme kam.
Lottes pinkfarbener Schopf lugt durch den Türspalt. Mit halbgeöffneten Augen sehe ich, dass sie wieder dieses alberne Schwesternhäubchen auf dem Kopf trägt.
Nachdem sie keine Antwort von mir erhält, tritt sie langsam an mein Bett, setzt sich zu mir und mustert mich besorgt. «Hör mal …», sie schnuppert in den Raum. «Hier muss mal gelüftet werden, und du brauchst dringend eine Dusche.» Sie beugt sich zu mir und schnüffelt kurz an meinen Haaren. «Die sind auch längst überfällig. Und wenn du im Bad bist, leg eine von meinen Gesichtsmasken auf, damit du wieder wie ein Mensch aussiehst.»
«Wozu?», brumme ich unwillig, lasse mich zurück in die Kissen fallen und lege meine Hand auf die Augen.
So schnell gibt Lotte aber nicht auf. Schemenhaft sehe ich durch meine Finger, wie sie in ihrer Kaftantasche wühlt und eine kleine Packung hervorholt, die sie mir dann vor die Nase hält. «Augentropfen!»
Mein klägliches «Danke» erstickt im nächsten Seufzer.
Seit Tagen spielt Lotte die hingebungsvolle Krankenschwester, versorgt mich mit homöopathischen Mittelchen oder Hühnersuppe, die angeblich Tote aufweckt. Es muss sich um chinesische Tote handeln, denn die Suppe stammt eindeutig vom Lieferservice. Den Geschmacksverstärker habe ich schon am Geruch erkannt.
«Außerdem musst du was essen», ordnet Schwester Lotte nun auch prompt an. «Worauf hast du denn Appetit? Vielleicht einen vitaminreichen Gemüseeintopf? Marie ist gerade dabei, für die ganze Familie zu kochen. Ich brate noch ordentlich Speck dazu. In Sahne eingelegten Matjeshering kann ich dir ebenfalls anbieten. Gut gegen Kater jeder Art – auch Liebeskater.» Sie zwinkert verständnisvoll.
Mir entschlüpft ein unwilliger Grunzlaut, den Schwester Lotte fälschlicherweise als Zustimmung auffasst.
«Sehr vernünftig.» Aufmunternd tätschelt sie mir die Wangen. «Und nun komm raus aus deinem Schmollwinkel. Du kannst dich doch nicht ewig verkriechen. So langsam muss diese
Entzündung
doch mal ausgeheilt sein. Die anderen glauben mir längst nicht mehr, dass du krank bist.»
Vorsichtig blinzele ich unter der Hand hervor. «Mir ist nicht nach Suppe, eher nach Alkohol.»
Lotte geht nicht auf meine Wünsche ein, sondern schlurft mit raschelndem Gewand durchs Zimmer, um Vorhänge und Fenster zu öffnen. Dann wackelt sie zurück an mein Bett, zieht ein Kuvert aus ihrer Kaftantasche und lässt es auf die Bettdecke fallen. «Das ist für dich gekommen.» Gespannt fixiert sie mich.
Ich ahne schon, dass sie nicht geht, bevor ihre Neugier befriedigt ist. Also greife ich nach dem Kuvert und öffne es. Es enthält eine Karte in Form eines roten Koffers, der sich aufklappen lässt. Es ist die Einladung zu Suses Ladeneröffnung.
Suse hat eine klare schwarze Schrift gewählt, die auf rotem Grund Ort und Zeit des langerwarteten Ereignisses verkündet.
«Freitag, neunzehn Uhr», lese ich murmelnd, und handschriftlich hat Suse notiert: «Ich erwarte dich!» Plötzlich bin ich hellwach, schäle mich unter der Decke hervor und setze mich auf. «Das ist ja heute! Wann war der Brief in der Post?»
Lotte antwortet nicht, lässt nur versonnen das Stethoskop vor ihrem Busen kreisen.
«Ach, ist ja auch egal», sage ich und steige aus dem Bett.
Lotte sieht mir begeistert zu. «Prima! Und wie wäre es nachher mit einem Shopping-Bummel?»
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon sie spricht. «Du meinst in den Supermarkt?»
«Nein, ich spreche von Klamotten! Du hast doch bestimmt nichts Passendes anzuziehen, für so ein schickes Event, oder?», fragt sie lauernd.
«Ich besitzt jede Menge schöner Sachen», entgegne ich. «Und das neue Kleid.»
«Oooch.» Sie verzieht den Mund genau wie Herbert. «Das ist ja ganz nett, aber ich finde, du solltest unbedingt deinen Stil verändern.»
Ich mustere sie verwirrt. «Wie, verändern?»
Treuherzig blickt sie mich an. «Na ja, es könnte nicht schaden, deine Weiblichkeit mehr zu betonen, dich etwas peppiger zu kleiden.»
Zweifelnd ziehe ich die Stirn kraus. Wenn
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