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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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beiden anderen an, die stumm bejahten.
    »So sind wir uns also einig«, nickte Urso und lächelte seine Reisegefährten aufmunternd an. »Aber ich wollte euch gefragt haben. Morgen früh brechen wir auf.«
    ***
    Am Abend des übernächsten Tages standen sie am Hafen der Stadt Chrysopolis. Einige Meilen entfernt, auf der anderen Seite des Bosporus, verschwammen die Umrisse der Kaiserpaläste im Dunst. Am Ufer warteten Dutzende von Menschen auf das letzte Fährschiff, das sie im Schutz einer Dromone nach Konstantinopel bringen sollte. Die mit Bogenschützen und Soldaten beladene Galeere lag schon im Hafen, die Ruder im Wasser, bereit zum Auslaufen. Pelagia musterte die Wartenden. Sie hatte bereits die Bekanntschaft eines seltsamen, langhaarigen Mannes gemacht. Gekleidet wie ein Mönch, jedoch ohne Tonsur, stellte er sich jedem als Makarios, der Gyrovage, vor, erzählte von seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem und erkundigte sich mit einem Augenzwinkern, wo in der Hauptstadt die besten Tavernen und Bordelle zu finden seien.
    »Dort, wo sich die Sünde Satans am dreistesten im Pfuhl der Verdorbenheit wälzt«, erklärte er auf die befremdeten Blicke hin, »genau dort ist ein Mann wie ich aufgerufen, das Wort Gottes zu verkünden und Beweise seiner Standhaftigkeit zu geben!«
    In Verkennung der Lage hatte er sich auch an Pelagia herangemacht, die jedoch sein Angebot, mit ihm zur Apostelkirche auf dem höchsten Hügel Konstantinopels zu pilgern, mit Bestimmtheit abgelehnt hatte.
    Jetzt sahen sie ein breites, niedriges Schiff, das sich langsam von Westen her näherte. Da erscholl hinter ihnen auf einmal Hufgeklapper und das Knirschen von Rädern. Pelagia drehte sich um. Zwei Reiter näherten sich dem Hafenkai, gefolgt von drei großen Reisewagen mit zugezogenen Vorhängen. Dahinter ritten nochmals zwei Männer; alle waren an der einheitlichen Kleidung als Staatsdiener zu erkennen. Der vorderste Reiter rief mit befehlsgewohnter Stimme: »Platz da, im Namen des Statthalters der Provinz Opsikion!«, während das Volk auseinanderwich.
    Als die Wagen zum Stillstand gekommen waren und die Kutscher die schnaubenden Pferde beruhigten, öffnete sich eine der Türen. Ein von langen, roten Locken umkränztes Gesicht spähte heraus, danach wurde eine zarte Hand sichtbar, schließlich setzte eine junge Frau vorsichtig ihre Sandalen auf den Boden. Auch die anderen Wagentüren öffneten sich, und bald drängte sich ein gutes Dutzend verschüchterter Mädchen am Ufer. Manche waren noch Kinder, andere schon junge Frauen, alle jedoch ausgesprochen hübsch. Urso verharrte mit offenem Mund und starrte zu der Gruppe, dann stupste er Pelagia an.
    »Siehst du die Rothaarige dort drüben?« Er deutete verstohlen auf die junge Frau, die als erste aus dem Reisewagen gestiegen war.
    »Ja, was ist mit ihr?«
    »Die muss ich haben!«
    »Aber Urso!« Pelagia sah ihn vorwurfsvoll an. »So kenne ich dich gar nicht.«
    »Du weißt eben nicht alles«, entgegnete er störrisch.
    »Mag sein«, erwiderte sie in tadelndem Ton. »Aber du bist, wie du mir kürzlich gesagt hast, achtunddreißig Jahre alt, und sie höchstens sechzehn. Sie könnte deine Tochter sein!«
    »Ist sie aber nicht! Und älter wird sie von alleine!«, entgegnete er trotzig, um dann flehend fortzufahren. »Bitte hilf mir, sie kennenzulernen. Sie sieht genau so aus wie meine Jugendliebe in Valei. Nur traue ich mich nicht.«
    »Lüstern und schüchtern?«, spottete Pelagia, »eine denkbar schlechte Verbindung!«
    »Zu so etwas sagt der weise Salomo: ›Besser in der Wüste wohnen, als bei einem zänkischen und zornigen Weibe‹«, entgegnete Urso spitz, dann drängte er mit einem gewinnenden Lächeln. »Du als Frau könntest doch leicht hingehen und fragen …«
    »Gehe hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr!«, erwiderte Pelagia schmunzelnd, »wie der weise Salomo ebenfalls sagt.«
    »Woher kennst du denn den Spruch?«
    »Von Kallinikos, und der hat ihn von dir. Aber weil du mir so oft geholfen hast, will ich es versuchen.«
    Sie ging auf die Gruppe zu. Einer der Männer versuchte, sie abzudrängen, Pelagia stritt mit ihm, der Befehlshaber kam hinzu. Nach kurzem Wortwechsel winkte er sie durch, Pelagia lief freudestrahlend zu der rothaarigen jungen Frau, umarmte sie, unterhielt sich kurz mit ihr und kehrte zurück.
    Inzwischen hatte die Fähre angelegt und alle drängten sich an Bord.
    »Nun«, mahnte Urso sie ungeduldig, nachdem sie ihr Gepäck verladen hatten. »Wie hast

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